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WERTSCHÄTZUNG DER HERRSCHAFT 103
Ihr, die ihr Kadmos' und Amphions Haus umwohnt,
Kein Menschenleben, wie es auch bestellet sei,
Soll je von mir gepriesen noch verachtet sein.
Das Glück erhebet und das Glück erniedriget
In stetem Wechsel Glücklich' und Unglückliche,
Und unsere Zukunft deutet kein Prophetenmund.
So war auch Kreon sonsten, dünket mir, beneidenswert,
Der, als von Feinden er die Kadmosstadt befreit
Und ganz empfing des Lands Alleinherrschaft,
Regiert,
umblüht von edler Kinder Reihen ^).
Eine Kritik dieser Wertschätzung des Herrscherb erufs gibt
Sophokles auch durch seinen König Ödipus. Es ist unverkennbar,
wie sehr die Kontrastwirkung zwischen Anfang und Ende des
Stücks nicht allein den Menschen, sondern auch den König
Ödipus betrifft. Sophokles spart nicht mit Ausdrücken, die das
Königtum des Ödipus gross und glanzvoll erscheinen lassen.
Er ist berühmt, mächtig, beneidenswert, glücklich, ein Sohn der
Tyche. Jokaste, die Königin, ist glückselig; selbst als sie ihren
Lauf geendet hat, kann man sie immer noch als eine göttergleiche
Fürstin bezeichnen ^). Aber der Schein des Glückes und
des Glanzes trügt. Menschenschicksale wandeln verschlungene
Wege. Als Ödipus' Herkunft bekannt geworden ist, der ganze
Jammer dieses fluchwürdigen Lebens offen liegt, da blickt der
Chor in die Vergangenheit zurück. Das Leben dieses Mannes,
der
furchtbar jähe Sturz vom höchsten Glück zum tiefsten Elend
warnt davor, selbst einen König bei Lebzeiten glücklich zu
preisen-^).
Gewonnen in reichstem Mass
War von dir der Preis des glückseligsten Lebens,
Als
du getilgt
Die krummklauige Sphinx, die Seherin,
Und vor dräuendem Tod ein Turm dastandst unserem Lande.
1) Antig. 1155 f.
2) Oidip. Rex 8, 31, 40, 46, 929, 998, 1080, 1207, 1223, 1235, 1380.
3) 1196 f.