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ZTE<br />
Blaue<br />
Stunde<br />
Das VW-Team knüpft 2015 da an, wo es 2014 aufgehört hat, und belegt beim<br />
Saisonauftakt in Monaco die Plätze eins bis drei<br />
Eigentlich hätte die FIA<br />
die Siegerehrung in der<br />
Marken-Weltmeisterschaft<br />
schon am Abend nach<br />
der Rallye Monte Carlo<br />
durchführen können.<br />
Die Konkurrenz versucht<br />
gar nicht erst, dem Titelverteidiger<br />
VW die Krone<br />
abspenstig zu machen.<br />
Text Markus Stier · Fotos McKlein<br />
Zutiefst verankert in der deutschen Seele<br />
ist der Grundsatz, dass Müßiggang aller<br />
Laster Anfang sei. Aus preußischer und<br />
protestantischer Sicht ist Xavier<br />
Mestelan-Pinon daher ein Mann, wie er<br />
glücklicher nicht sein dürfte: Er hat gut<br />
zu tun. Während das katholische Frankreich<br />
trotz Wirtschaftskrise erbittert um die<br />
35-Stunden-Woche kämpft, brannte im Büro<br />
des Technikdirektors von Citroën Racing in<br />
der vergangenen Saison bis spätabends Licht.<br />
Eigentlich für die Entwicklung von Rallye-<br />
Autos eingestellt, stampfte der drahtige Franzose<br />
mal eben innerhalb eines Jahres den<br />
Tourenwagen Elysée für die WTCC aus dem<br />
Boden. Ganz nebenbei übernahm er den Posten<br />
des stellvertretenden Teamdirektors, der<br />
Sportchef Yves Matton vertritt, wenn der bei<br />
Terminkollisionen bei der Rallye-WM weilt.<br />
Als das WTCC-Auto in der ersten Saisonhälfte<br />
jede Konkurrenz mühelos niederrannte,<br />
kehrte Mestelan an den Schreibtisch zurück<br />
und begann sich wieder seinem vorletzten<br />
Baby zu widmen: dem DS3 WRC.<br />
Es wurde Zeit. Seit der ersten kompletten<br />
WRC-Saison 2003 gewann die Marke mit<br />
dem Doppelwinkel in zwölf Jahren acht Marken-Titel.<br />
Bei 183 WM-Starts siegten die<br />
Franzosen 93 Mal. 2014 war die erste Saison,<br />
in der die erfolgsverwöhnte Mannschaft aus<br />
Versailles keine WM-Rallye gewinnen konnte.<br />
Mestelan drehte jede Schraube des DS3<br />
noch einmal herum. Es lag nahe, den jüngeren<br />
und konsequenter ausgelegten Rennmotor<br />
des Tourenwagens ins Rallye-Auto zu bauen<br />
und anzupassen. Auch in der WTCC wird<br />
mit 1,6-Liter-Turbomotoren gefahren, wenn<br />
auch mit 38 Millimeter großem Luftmassenbegrenzer.<br />
Auch mit nur 33 Millimetern<br />
Querschnitt ist der überarbeitete DS3 nicht<br />
zuletzt dank neuer Motorelektronik spürbar<br />
erstarkt. Selbstredend hat das Team eine Wippenschaltung<br />
entwickelt, die das Reglement<br />
seit dieser Saison wieder erlaubt.<br />
Giftige Diva<br />
Wer nicht Sébastien Loeb heißt, der litt im<br />
DS3 immer am giftigen Fahrverhalten und<br />
dem sensiblen Fahrwerk. Mestelan konstruierte<br />
im Herbst eine neue Hinterachse mit leicht<br />
veränderten Anlenkpunkten der Dämpfer.<br />
Ziel war vor allem, mehr Spielmöglichkeiten<br />
bei der Standhöhe zu haben und den eher für<br />
Asphalt-Rallyes konzipierten Kleinwagen bei<br />
Bedarf mehr zum Schotter<strong>auto</strong> zu machen.<br />
Ein neuer Heckflügel ist eine weitere Maßnahme.<br />
Die Flosse an der Dachkante soll<br />
nicht nur mit verstärktem Abtrieb das Heck<br />
besser stabilisieren, es galt auch, den Luftstrom<br />
bei größeren Driftwinkeln besser anliegen<br />
zu lassen. Werksfahrer Mads Östberg<br />
bestätigte nach den ersten Tests: „Das neue<br />
Auto ist deutlich gutmütiger.“<br />
Dennoch ist das Auto noch Flickwerk. Als<br />
Nächstes ist die Vorderachse fällig, und auch<br />
dort wird es mit einem neuen Frontspoiler<br />
und geänderten Kotflügeln eine überarbeitete<br />
Aerodynamik geben, die besser zum Gesamtkonzept<br />
passt. Schließlich will sich Mestelan<br />
noch den Stoßdämpfern widmen, einer<br />
Schlüsselkomponente bei modernen Rallye-<br />
Autos, die Citroën anders als die Konkurrenz<br />
weitgehend selbst fertigt.<br />
<strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015 115