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sport auto #3

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in der Wüste helfen“, meinte er schlau. „Das<br />

muss ich auch nicht. Dafür wird Sven gegebenenfalls<br />

schon sorgen. Schließlich will er ja,<br />

dass die Marke Mini gewinnt, oder?“ Diese<br />

Planspiele blieben aber reine Theorie: Denn<br />

Al-Attiyah war an 13 Rallyetagen nie auf<br />

fremde Hilfe angewiesen – schon gar nicht<br />

durch die „Nicht-Freunde“ im Team.<br />

Gewisse Defizite im Organisieren räumte<br />

Al-Attiyah übrigens freimütig ein. „Ich habe<br />

halt keinen Manager“, sagt er mit unschuldigem<br />

Lächeln. „Ich muss alles selbst machen.“<br />

Seinen früheren Kümmerer, so lässt er duchblicken,<br />

habe er wegen finanzieller Ungereimtheiten<br />

vor einiger Zeit feuern müssen.<br />

„Es war ein Desaster.“ Von solchen Misslichkeiten<br />

solle man sich aber nicht die gute Laune<br />

verderben lassen, findet er.<br />

Al-Attiyah war in den letzten Jahren einer<br />

der meistbeschäftigen Fahrer weltweit. „Es<br />

gibt wohl keinen, der 2014 mehr Rennkilometer<br />

gesammelt hat als Nasser“, schätzt<br />

Quandt. Der Katarer rechnete sofort sein Programm<br />

detailliert vor: Sieben Läufe zur Rallye-<br />

WM im WRC2-Ford Fiesta, weitere sieben<br />

Läufe zur Middle-East-Meisterschaft, sechs<br />

Cross-Country-Rennen und dann noch sechs<br />

Läufe zum Arabischen GT-Cup im Porsche<br />

911 des Lechner-Teams. Treuherzig fragt er:<br />

„Wie soll ich mich bei einem solchen Programm<br />

noch um Vertragsdetails kümmern?“<br />

Zumal Ende des Jahres noch ein Ehrungs-<br />

Marathon anstand: Al-Attiyah gewann nämlich<br />

in beiden Rallye-Serien jeweils den Titel.<br />

Urlaub? Dieses Wort kennt Al-Attiyah kaum.<br />

„Ich hatte 2014 nur fünf Tage am Stück frei.<br />

Im Dezember bin ich nach Mendoza in Argentinien<br />

zum Jagen geflogen.“<br />

Mit seiner Fröhlichkeit, seiner Höflichkeit<br />

und seinen angenehmen Umgangsformen ist<br />

Al-Attiyah ein Menschenfänger – außerhalb<br />

des Renn<strong>auto</strong>s, und sofern man keine Verträge<br />

mit ihm aushandeln muss. Im Wettbewerb<br />

aber mutiert er zu einem instinktgetriebenen<br />

Raubtier.<br />

Das wusste auch der damalige VW-Sportchef<br />

Kris Nissen, als sich zwei seiner Race-<br />

Touareg-Fahrer bei der Dakar-Rallye 2011 ein<br />

erbittertes Duell um den Sieg lieferten. „Ich<br />

verzichte auf Stallregie“, verkündete der Däne<br />

damals großspurig, um dann leise hinzuzufügen.<br />

„Carlos Sainz und Nasser Al-Attiyah tun<br />

doch eh, was sie wollen.“<br />

Al-Attiyah machte damals im Schlussspurt<br />

keine Gefangenen: Am vorletzten Tag fuhr er<br />

Sainz ein paar Mal mit Karacho ins Heck. Der<br />

empörte Spanier verlor den sicher geglaubten<br />

Sieg. Sainz kochte vor Wut, und ums Haar<br />

hätte er sich zu Handgreiflichkeiten hinreißen<br />

lassen. Al-Attiyah grinste schief und drehte<br />

sich ab, nach dem Motto: „Ich weiß gar nicht,<br />

was der heute hat.“<br />

Nur ein Problem gab es: die Höhe<br />

Verglichen mit dem Triumph von 2011 war<br />

Al-Attiyahs Fahrt zum Dakar-Sieg 2015 ein<br />

Spaziergang. Die drei offiziellen, von Monster<br />

gesponserten Mini hatten nichts zu melden<br />

im Kampf um den Sieg. Vorjahressieger Nani<br />

Roma verlor am ersten Tag wegen einer schadhaften<br />

Ölpumpe mehr als acht Stunden. Beim<br />

Argentinier Orlando Terranova wechselten<br />

sich Tagesbestzeiten und slapstickhafte Unfälle<br />

beinahe im Tagesrhythmus ab.<br />

Der Dritte im Monster-Bunde, der Pole<br />

Krzysztof Holowczyc, hatte in den Dünen von<br />

Copiapó seine Probleme und kämpfte mit zu<br />

geringem Grundspeed. Den Toyota Hilux<br />

fehlte das letzte Quäntchen Biss, und die neuen<br />

Peugeot-Buggys waren weder besonders<br />

zuverlässig noch besonders schnell (siehe Kasten<br />

Seite 134).<br />

Auf fünf der 13 Tagesetappen fuhr Al-Attiyah<br />

die Bestzeit, und hielt sich sonst eher zurück.<br />

Er hatte nur ein Problem: Die Höhenluft<br />

in Bolivien setzte ihm übel zu – im Wortsinne.<br />

Erst eine 30-minütige Sauerstoffdusche<br />

brachte in Bolivien Linderung. Der Mini<br />

machte gar keinen Kummer. „Zwei Platten<br />

hatten wir, und einmal verloren wir bei langsamer<br />

Fahrt ein Vorderrad“, berichtete der<br />

Katarer. Den Verdacht, die Schrauben nicht<br />

ordentlich angezogen zu haben, wies er entrüstet<br />

von sich: „Niemals!“<br />

Beim Dinner des Siegerteams war Quandts<br />

Grimm über den Schwerintegrierbaren verraucht.<br />

Nach dem vierten Dakar-Sieg des<br />

Mini-Teams in Folge gab es Umarmungen<br />

und Schulterklopfen und entspannte Heiterkeit.<br />

Und der strahlende Al-Attiyah sagte einen<br />

seiner typischen blumig-orientalischen<br />

Al-Atti yah-Sätze: „Ich bin so glücklich, dass<br />

die Leute hier alle glücklich sind.“ Grandseigneurhaft<br />

lächelte Quandt bei diesen rhetorischen<br />

Girlanden. „Nasser ist der Beste“, sagte<br />

er bestimmt und drückte das Kreuz durch.<br />

„Am meisten hat mich beeindruckt, dass er<br />

das Tempo so clever kontrolliert hat. Das hat<br />

er früher nicht so gekonnt. Nasser ist der Held<br />

der Dakar. Und das wird die nächsten fünf<br />

oder zehn Jahre auch so bleiben.“<br />

Im nächsten Jahr im Buggy?<br />

Ob die Allrad-Mini nach vier Siegen in Folge<br />

auch 2016 siegfähig sind, das steht noch in<br />

den Sternen. „Welches Team und welches Autokonzept<br />

dann Vorteile hat, entscheidet der<br />

Veranstalter ASO mit seiner Routenwahl.“<br />

Lange Sandetappen kämen den leichteren,<br />

heckgetriebenen Buggys wie den Peugeot<br />

2008 DKR entgegen, meint Quandt. Auf<br />

winkligem Terrain hingegen schlägt die Stunde<br />

der Allrad-Mini mit ihrem flinken Handling.<br />

Um Daten zu sammeln, hatte auch das<br />

X-Raid-Team einen Buggy nach Südamerika<br />

mitgeschleppt. Pikanterweise jenes Auto, mit<br />

dem Al-Attiyah und sein Teamkollege Sainz<br />

bei der Dakar-Rallye 2013 anfangs ziemlich<br />

schnell unterwegs waren, bevor sie Technik-<br />

Stress in die Knie zwang.<br />

Mangels Zuverlässigkeit des hochbeinigen<br />

Gefährts hatte Guerlain Chicherit kaum Freude<br />

am Fahren, und auch Al-Attiyah erinnert<br />

sich ungern an den Jefferies-Buggy: „Das<br />

Buggy-Projekt war mein größter Fehler.<br />

Damit habe ich zwei Jahre verplempert.“ ◾<br />

<strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015 135

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