1 RATGEBER GEBRAUCHTE SPORTWAGEN: MERCEDES SLS AMG UND PORSCHE 911 TURBO „Evergreen: Der Porsche 911 Turbo erfreut Dynamik-Fetischisten seit 1974, ein Ende ist nicht in Sicht “ 2 „Kurzes Vergnügen: Der AMG-Langschnauzer mit V8-Sauger wurde nur vier Jahre lang gebaut “ 72 <strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015
spannt er seine Muskeln und schießt gen Horizont. Ansatzlos pressen die Turbos das Gemisch in die sechs Brennräume, nur begleitet von einem leicht rauschenden Brodeln. Dank Allrad geht nichts von der schieren Kraft in Rauch auf, das PDK wechselt die Gänge fix und unauffällig. Kurz gesagt: Das Gerät geht ab wie die sprichwörtliche Sau. Im Supertest legte ein gelber 997 Turbo S einen fabelhaften Beschleunigungswert von 3,1 Sekunden aufs Parkett. Sein schwächerer Bruder ohne „S“ war „3,1 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 und in 7.44 Minuten über die Nürburgring- Nordschleife“ nur eine Zehntel langsamer. Auf der Nordschleife lagen drei Sekunden zwischen beiden Modellen (7.44 zu 7.47 Minuten). In Hockenheim distanzierte der Stärkere mit einer Rundenzeit von 1.12,1 min den Schwächeren aber um 1,1 Sekunden. Mindestens 80 000 Euro muss man für einen 997 Turbo S ausgeben. Die laufenden Kosten für Unterhalt, Verschleiß und Ersatzteile können bei PorscheNeulingen spontane Schwindelanfälle auslösen. Dafür lässt sich der SPORTLICHE ALTERNATIVEN Ferrari 458 Italia Knapp fünf Jahre verdreht uns der Einstiegs-Ferrari schon den Kopf. Der V8-Saugmotor dreht wie entfesselt bis maximal 9000 Umdrehungen, schreit wie verrückt und mobilisiert 570 PS. Perfektes Rennstrecken-Tool, dabei gute Alltagstauglichkeit. Start bei rund 125 000 Euro, ordentliche Auswahl. VERTRAUENSFRAGE Welcher Typ Sportwagen-Fan sind Sie? Understatement oder großes Kino? Wer den dezenten Auftritt bevorzugt, greift eher zum Porsche Turbo als zum Mercedes SLS AMG. Der 911er fällt im Straßenverkehr kaum auf, die Form des Coupés ist seit Jahrzehnten präsent. Sozialneid kann sicherlich auch er auslösen, doch wer im Silberpfeil vorfährt und dann noch die effektheischenden Flügeltüren öffnet, darf nicht damit rechnen, dass das alle Umstehenden total super finden. Typisch deutsch? Wie auch immer: Der SLS AMG mit seinem auffälligen Design und den dramatischen Proportionen verkörpert viel eher das Symbol für Reichtum als Porsches ewiger Heck motor-Sportler. Preislich dürfte der 911 Turbo vom Typ 997 die Tal sohle bald erreicht haben. Boxer (Downsizing!) verbrauchsgünstig bewegen. Typischer Schwachpunkt: der Ladeluftkühler in der Mitte. Tief angeordnet, ist er dem Beschuss von Steinchen und Streusalz ausgeliefert. Wenn es hart kommt, verformt er sich und wird undicht. Die Regelstangen der VTGTurbos leiden auch unter Spritzwasser und rosten gerne fest. Dann kann der Motor in den Notlauf gehen, im Einzelfall sind neue Lader fällig. Einen Blick wert sind die Reifen, sie McLaren MP4-12C Der Brite kam erst vor drei Jahren auf den Markt und ist als Secondhand- Auto nur in homöopathischen Dosen verfügbar. Mit 625 PS steht der 3,8 Liter große V8-Biturbo des McLaren gut im Futter. Auch fahrdynamisch überzeugt der Mittelmotor<strong>sport</strong>ler. Unter 120 000 Euro nicht zu bekommen. Die Nachfrage ist aktuell eher schwach, bei knapp 50 000 Euro geht es los. Wie (fast) jeder Porsche hat auch der 911 Turbo das Zeug zum sehr begehrten Klassiker. Beim Flügeltürer sieht die Situation ganz anders aus. Noch vor einem Jahr gab es 2010 produzierte SLS AMG bereits ab rund 110 000 Euro, aktuell sind mindestens 15 000 Euro mehr fällig. Dass die Preise jetzt anziehen, dürfte auch am neuen GT liegen, der eben keine Flügeltüren mehr hat und dem SLS AMG einen außergewöhnlichen, ja ikonenhaften Status sichern könnte. Außerdem wurde der Affalterbacher in einer vergleichsweise geringen Stückzahl gebaut, was grundsätzlich immer für steigendes Interesse bei Autosammlern sorgt. Egal ob Porsche oder Mer - cedes: Kenner der Materie kaufen einen Sportwagen übrigens nicht jetzt im Winter, sondern zwischen August und Oktober – dann, wenn keiner sucht. Geringe Nachfrage trifft auf ein größeres Angebot, was bekanntlich die Preise drückt. fahren sich innen stärker ab als außen. Beachtung verdienen auch die inneren Manschetten der vorderen Antriebswellen (löchrig), die Lager von Koppelstangen und Stabis (Geräusche) sowie die Verbindungen zwischen Keramikscheibe und Bremsentopf. Sind sie verformt, war der Vorbesitzer ein exzessiver und hart bremsender Rennstreckenliebhaber. Das scheint bei unserem fränkischen Kunden nicht der Fall zu sein, an seiner Keramikbremse ist alles frisch. Ein letzter Gasstoß – Audi R8 5.2 FSI Quattro Bei ihrem ersten Sportwagen haben sich die Audianer am klassischen Ferrari- und Lamborghini-Layout orientiert. Der V10-Mittelmotor leistet zwischen 525 und 570 PS. Frühe R8 V10 von 2009 sind bereits für gut 60 000 Euro zu haben. Aktuell stehen hierzulande gut 200 Autos zum Verkauf. und rein in die Luxushalle zum Fahrzeugtausch. Inhaber Christoph Zitzmann schlägt jährlich über 700 Autos um, „vom geleasten VW Touran bis zum Rolls Royce Wraith“, so der Autofan, der eine eigene Leasingfirma betreibt und sein Hobby vor fast 30 Jahren zum Beruf gemacht hat. „Der SLS AMG ist im seltenen Farbton Alubeam, dieses Extra hat alleine gut 10 000 Euro gekostet.“ 136 000 Euro soll der 2011 zugelassene Flügeltürer mit 41 000 Kilometern kosten. Wer den Motor startet, wird vom klassischen V8Donnerhall begrüßt. Dagegen wirkt der kleine PorscheBoxer geradezu schüchtern. Flügeltür auf, rein in das appetitliche Cockpit. Sitzposition und Übersicht erfordern mehr Gewöhnung, auch die lange, breite Haube verlangt Konzentration. Pure Freude verströmen Sound und Ansprechverhalten des V8 Saugers. DrehmomentPunch und Spaß an hohen Drehzahlen vermischen sich zu einem feurigen Motorvergnügen, das schlicht süchtig macht. Dass der SLS mit 4,0 Sekunden im Supertest klar langsamer beschleunigte als der Tur bo S, spürte man subjektiv kaum. Dafür war er auf der Nordschleife exakt vier Sekunden schneller. Zu spüren sind dagegen die verzögerten Reaktionen auf manuelle Schaltbefehle. Und der enorme Durst des Hubraum Dinos. Wenig Sorgen beim SLS TechnikÄrger kennen FlügeltürerEigner kaum. Hin und wieder können Sensoren Probleme verursachen. Durch lange Standzeiten stirbt die eine oder andere Starterbatterie einen frühen Tod. Prüfen sollte man in jedem Fall, ob die Bremsscheiben Risse zwischen den Löchern aufweisen. Sind Keramikscheiben montiert, lohnt ein Blick auf deren Innenseite: Wie beim Porsche und anderen Sportlern deuten Abplatzer auf Abstecher ins Kiesbett hin. Dann wird’s richtig teuer. Auch beim SLS AMG können Koppelstangen und Stabis Geräusche machen. Beim Reifenverschleiß hingegen ist er unauffällig. Somit gebührt AMG unterm Strich ehrlicher Respekt: Schließlich ist der SLS das erste eigenständig entwickelte Auto der Firmengeschichte. ◾ <strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015 73