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sport auto #3

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toben. Drei Jahre tingelte er zum Entzücken<br />

der Fans mit einem BMW M3 durch die Lande,<br />

dann hatte er das haltlose Gerutsche der<br />

Hinterachse satt. Zeltner griff sich den VLN-<br />

Porsche und machte sich an die Arbeit. Es<br />

mag ja sein, dass die akkurat gezogenen und<br />

sorgfältig planierten deutschen Straßen einem<br />

Renn<strong>auto</strong> wie dem Cup-Carrera sehr entgegenkommen<br />

– aber das macht aus einem<br />

Rundstreckenbomber noch lange kein Deutsches<br />

Rallye-Meister<strong>auto</strong>. Abgesehen von Einzelerfolgen<br />

gab es für die Porsche-Fraktion<br />

zuvor wenig zu erben.<br />

Deutschland ist Porsche-Land<br />

Seit aber der DMSB die offizielle Meisterschaft<br />

mit dem ADAC-Masters verschmolz<br />

und sich 2014 jeder aus 14 Läufen seine acht<br />

Lieblings-Rosinen rauspicken durfte, ist<br />

Deutschland Porsche-Land – zumindest,<br />

wenn das Auto derart ausgeklügelt vorbereitet<br />

ist wie das Zeltner-Zebra.<br />

Zunächst ließ der Meister den Käfig des<br />

Cup-Autos umbauen. Die Flanken sind verstärkt<br />

und rechts weiter ausgestellt, um den<br />

im Renn<strong>auto</strong> nicht vorgesehenen Beifahrer zu<br />

schützen. Hinten musste die schräge Querstrebe<br />

weg, um Platz für ein Reserverad zu<br />

schaffen. Den Vorderwagen mitsamt Tank<br />

bauten die Spezialisten von Wiechers um, damit<br />

auch vorn ein 18-Zöller in den sogenannten<br />

Kofferraum passt. „Mein Auto ist der einzige<br />

Elfer, der zwei Ersatzräder mitnehmen<br />

kann“, behauptet Zeltner stolz. Meist hat er<br />

nur eines an Bord, und dessen 25 Kilo verstaut<br />

er vorn, denn der Porsche leidet chronisch<br />

an Hecklastigkeit.<br />

Auch beim Fahrverhalten trügt der Schein,<br />

denn der Schlüssel zu schnellen Zeiten ist<br />

nicht das Beherrschen des Hecks, die Rallye<br />

wird vorn gewonnen. „Geduld“, souffliert<br />

Zeltner vom rechten Sessel im Ton eines Therapeuten.<br />

Es gilt, gerade in engen Ecken angemessen<br />

langsam in selbige hineinzufahren.<br />

Dabei ist sanft und tief in die Kurve hineinzubremsen,<br />

um möglichst lange Gewicht auf der<br />

Vorderachse zu halten – und damit Haftung.<br />

Das ist natürlich alles graue Theorie, wenn<br />

ein Tigerdompteur-Lehrling zu seiner ersten<br />

Übungsstunde antritt und die Putzkolonne<br />

die Arena mit Bohnerwachs geschmiert hat.<br />

Das garstige Untersteuern kündigt sich immerhin<br />

früh und gut messbar an, weil dann<br />

die Reifen dröhnend rubbeln. Also wieder<br />

vom Gas und warten. Bei so einem Auto holst<br />

du die Zeit beim Beschleunigen, und dazu<br />

muss die Nase so früh wie möglich auf die<br />

nächste Gerade zeigen. Die ist auf der eigentlich<br />

für Karts gebauten Berg-und-Tal-Bahn<br />

eher kurz. Es reicht trotz der auf Topspeed<br />

200 km/h verkürzten Achse gerade mal für<br />

Tempo 125 im vierten Gang, dann muss für<br />

eine Linkskehre schon wieder der Anker geworfen<br />

werden. Den kann aber selbst der Unsensible<br />

guten Gewissens schmeißen, denn für<br />

die angemessene Sensibilität beim Verzögern<br />

sorgt die Elektronik des Porsche selbst. Zeltner<br />

war der Erste, der in seinem Rallye-Elfer<br />

mit ABS antrat. „Was im Regen auf der Nordschleife<br />

funktioniert, funktioniert auch bei<br />

Rallyes“, lautet sein Leitsatz. Hilfreich beim<br />

Bremsen sind auch der Abtrieb des mächtigen<br />

Heckflügels und natürlich der Heckmotor.<br />

Der Meister ist sich sicher: „Kein Auto bremst<br />

hinten so gut wie der Porsche 911.“<br />

Nur das Beschleunigen ist im Schneematsch<br />

einer der raren Momente, wo man<br />

sich einen hundsgewöhnlich langweiligen<br />

Allrad-Mitsubishi wünscht. Wenn man der<br />

Zeltner ist, kann man in die Doppel-Rechts<br />

vor dem Clubhaus mit einem lässigen Zupfer<br />

an der Handbremse gemütlich einschwenken,<br />

mit fein gesetzten Stakkato-Gasstößen hübsch<br />

gegenlenken und in einem Schwung ums Eck<br />

schmirgeln. Ist man bloß der Stier Markus,<br />

schnappt der Schneetiger ständig nach dem<br />

eigenen Schwanz und dreht sich ein.<br />

Der Motor hat in allen Lebenslagen mächtigen<br />

Bums, der vom Reglement beim<br />

3,8- Liter-Boxer auf 75 Millimeter festgelegte<br />

Luftmassenbegrenzer war bisher ein Witz,<br />

denn anstatt den für N/GT-Autos gestatteten<br />

400 PS plus fünf Prozent erlaubte der Durchlass<br />

nicht die vorgesehenen 428 Pferdestärken,<br />

sondern locker 500. Ein umprogrammiertes<br />

Steuergerät bremst den Elfer ein, um ihn im<br />

legalen Rahmen zu halten. Sowohl Zeltner als<br />

auch der argwöhnische DMSB ließen das<br />

Auto mehrfach prüfen. Aber mehr als 425 PS<br />

standen nie auf der Anzeige.<br />

In der kommenden Saison sind nun 55<br />

Millimeter vorgeschrieben. Die Konkurrenz<br />

hofft, dass sich damit die Porsche-Dominanz<br />

erledigt hat; Zeltner verspricht, dass die sich<br />

wundern wird – denn damit hätte er immer<br />

noch die gleiche Leistung wie im Vorjahr.<br />

Sanfte Gewalt<br />

Statt auf rohe Kräfte an den Antriebsrädern<br />

setzt Zeltner auf die sanfte Gewalt. Vom Weltmeister-Zulieferer<br />

Sachs ließ er sich weichere<br />

Dämpfer einbauen. Drexler lieferte nicht nur<br />

eine weniger aggressive Differenzialsperre,<br />

sondern auch längere Antriebswellen für größere<br />

Federwege. „Nach Sprüngen lande ich<br />

butterweich“, sagt der Meister. Aber vor allem<br />

verbessert sich die Traktion, und wenn die Pisten<br />

schmierig werden, lässt der Fuchs dem<br />

Zebra hinten die schmalen Hankook-Sohlen<br />

aufziehen. „Mit den breiten Rädern bist du<br />

sonst ständig im Dreck“, sagt Zeltner und<br />

warnt: „Wenn du auf der Hinterachse Aquaplaning<br />

kriegst, holt dich der Teufel.“<br />

Tückischer Matsch<br />

Nun, das wäre heute eigentlich überall der<br />

Fall. Das Eis ist in der Wintersonne getaut,<br />

der Matsch kaum weniger rutschig. Also noch<br />

mal: einlenken, Handbremse, gegenlenken,<br />

ein bisschen Gas. Mist, wieder zu viel.<br />

Um zur Schmierseife auf der Piste noch Öl<br />

ins Feuer zu kippen, raunt der Meister: „Und<br />

jetzt musst du dir das Ganze im fünften Gang<br />

im Wald vorstellen.“ Vielen Dank, es ist auch<br />

so aufregend genug. Aber wir wollen hier<br />

nicht künstlich dramatisieren. Der Boxer<br />

brüllt die Insassen drinnen gar nicht so grimmig<br />

an wie die Schafe draußen, zudem ist das<br />

Geschoss nicht so gemein wie befürchtet.<br />

Betreibt man nicht gerade Zeltners Aufwand,<br />

kostet der Elfer in Anschaffung und<br />

Betrieb nicht mehr als ein Gruppe-N-Allradler,<br />

macht aber viel mehr Krach, Wind und<br />

Spaß. „Porsche fahren ist immer auch ein bisschen<br />

Abenteuer“, meint der Meister.<br />

Und so fühlt sich am Ende der Fahranfänger<br />

ein bisschen wie der Indiana Jones<br />

des Erzgebirges. Wie sagt ein indisches Sprichwort:<br />

„Es ist leicht, den Tiger zu reiten; es ist<br />

nur schwer, heil wieder herunterzukommen.“<br />

So gesehen war es ein erhebender Tag. Der<br />

Fahreranzug ist durchgeschwitzt – von Reißzähnen<br />

zerfetzt ist er aber nicht. ◾<br />

Vorher – nachher<br />

Beim Ritt auf dem<br />

Tiger wird dem Reiter<br />

ganz schön warm.<br />

Immerhin sind Tester<br />

und Testwagen<br />

unversehrt geblieben<br />

<strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015 123

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