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sport auto #3

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Eine gute Nachricht vorweg: Die Formel 1<br />

ist lauter geworden. Und das signifikant.<br />

Auch die Klangfarbe geht in die richtige<br />

Richtung. Weniger Rasenmäher oder<br />

Haarföhn, mehr Rennmotor. Man fühlt<br />

sich schon in die erste Turbo-Ära zurückversetzt.<br />

Mercedes-Motorenchef Andy Cowell<br />

war ratlos: „Es hört sich lauter an, aber wir<br />

wissen nicht, warum. Wir haben jedenfalls<br />

bewusst nichts gemacht, das den Ton der Motoren<br />

verändern würde.“<br />

Vielleicht doch. Alle Motorenhersteller<br />

haben über den Winter ihre Auspuffsysteme<br />

optimiert. Mercedes zum Beispiel verlängerte<br />

den Auspuff, um mehr Leistung aus dem<br />

Verbrennungsmotor zu holen. Die Krümmer<br />

sind nun verschlungen wie ein Schlangennest,<br />

um sie platzsparend unterzubringen. Renault<br />

machte das Gegenteil. Ferrari vergrößerte den<br />

Turbolader. Beide wollen damit mehr Power<br />

aus der MGU-H ziehen.<br />

Den Kritikern der Hybrid-Formel gehen<br />

langsam die Argumente aus. Nicht nur der<br />

Sound ist besser. Die Rundenzeiten befinden<br />

sich im freien Fall. Vor zwölf Monaten fuhr<br />

der Schnellste nach vier Tagen eine Zeit von<br />

1.23,276 Minuten. Kimi Räikkönen pulverisierte<br />

den Wert um 2,435 Sekunden.<br />

Formel-1-Ingenieure lernen schnell. Im<br />

zweiten Jahr der Hybrid-Ära ist der Grad an<br />

Perfektion erschreckend hoch. 2014 legten<br />

zehn Teams beim Testauftakt in Jerez 1465<br />

Runden zurück. Der V6-Turbo mit seinen<br />

zwei Elektromaschinen war noch unbekanntes<br />

Terrain. Ein Jahr später spulten acht Autos<br />

2313 Runden ab. Nur McLaren-Honda<br />

schwächelte. Neuzugang Honda durchlitt die<br />

gleichen Qualen wie die Mitbewerber vor einem<br />

Jahr. Trotz einer besseren Ausgangslage.<br />

Die Japaner hatten eine Saison lang Anschauungsunterricht.<br />

Ihr Partner McLaren<br />

fuhr noch mit dem Mercedes-Motor. Honda<br />

kannte alle Leistungsdaten des Marktführers,<br />

die Architektur des Motors, die Strategien des<br />

Energiemanagements, Rundenzeiten, Sektorwerte<br />

und Geschwindigkeiten in jeder Kurve<br />

und jeder Lebenslage. „Das Ziel zu kennen,<br />

macht vieles einfacher“, behauptet der<br />

Schweizer Motorenpapst Mario Illien. „Du<br />

musst aber auch wissen, wie“, stöhnt Honda-<br />

Berater Gilles Simon. Der frühere Ferrari-Motorenchef<br />

baut einer Pleite schon vor: „Honda<br />

hatte zwei Jahre Entwicklungszeit. Unsere<br />

Gegner drei. Es wird ein hartes Jahr für uns.“<br />

Honda bekam im November 2014 auch<br />

das Geschenk, zwei Tage lang in einem Interims-McLaren<br />

in Abu Dhabi testen zu dürfen.<br />

Der Neuling nutzte sie nur unzureichend.<br />

Nach fünf Runden an zwei Tagen wussten die<br />

Motorenkonstrukteure nur, dass noch ein<br />

Berg Arbeit vor ihnen stand. Als McLaren-<br />

Honda in Jerez mit dem neuen MP4-30 ausrückte,<br />

da schien es, als hätte man nichts aus<br />

dem verunglückten Probegalopp gelernt.<br />

Sechs Runden am ersten Tag, 79 insgesamt.<br />

Dazu 6,8 Sekunden Abstand zur Bestzeit. Der<br />

Motor klang manchmal nur nach 500 PS.<br />

79 Runden an vier Tagen<br />

Den McLaren-Honda bremsten ähnliche Kinderkrankheiten<br />

wie zwei Monate zuvor in Abu<br />

Dhabi. Gilles Simon erzählte eine Leidensgeschichte<br />

auf Japanisch: „Die Elektronikboxen<br />

kommunizieren nicht miteinander. Am Prüfstand<br />

funktioniert es, aber im Auto sind die<br />

Kabel ein bisschen anders verlegt, da fällt ein<br />

Stecker ab oder steigt ein Sensor aus. Es sind<br />

nur kleine Probleme, die aber verhindern, dass<br />

wir die großen sehen. Wir brauchen Kilometer,<br />

um endlich mehr über unseren Motor zu<br />

erfahren.“ 4000 standen für zwölf Testtage im<br />

Plan. Nach vier Tagen hatte McLaren gerade<br />

mal 350 Kilometer geschafft.<br />

Um die Kritiker bei Laune zu halten, beschworen<br />

Fernando Alonso und Jenson Button<br />

die goldenen Tage der ersten Ehe von<br />

McLaren und Honda. Sie hat zwischen 1988<br />

und 1992 acht WM-Titel und 44 Grands Prix<br />

gewonnen. Und das Auto war vom ersten<br />

Testtag an außerirdisch schnell. Ayrton Senna<br />

hängte 1988 die Konkurrenz beim Stapellauf<br />

des McLaren-Honda MP4/4 um 1,5 Sekunden<br />

ab. Noch halten sich die McLaren-Stars<br />

mit Durchhalteparolen über Wasser. „Das<br />

Projekt braucht Zeit. Den anderen ging es vor<br />

einem Jahr nicht besser.“ Die Ingenieure loben,<br />

dass ihr Auto das macht, was der Windkanal<br />

verspricht, und dass die Kühlung trotz<br />

der Wespentaille im Heck funktioniert. Doch<br />

wie groß ist die Aussagekraft, wenn sich das<br />

Auto im Kriechgang bewegt?<br />

Teamchef Ron Dennis hat noch andere<br />

Sorgen. Sein McLaren fährt nahezu nackt<br />

durch die Gegend, Aufkleber Mangelware.<br />

Dennis hatte vier potenzielle Hauptsponsoren<br />

an der Angel und es sich mit allen verscherzt.<br />

Zu seinem Ärger läuft sein neuer Superstar<br />

Alonso wie ein Taliban durch die Gegend.<br />

Dennis hasst Bärte. Alonsos finstere Miene<br />

lässt erahnen, wie sehr es in dem Spanier<br />

<strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015 141

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