IMPRESSION MIT DEM LEXUS RC F AN DAS ENDE DER ALTEN WELT Mit tiefen Furchen und windgeschliffenen Oberflächen imitiert der RC F die Felsformationen am Streckenrand Tradition trifft Sci-Fi Inmitten der maurisch geprägten Kleinstadt Ronda erscheint der extrovertierte Lexus wie ein Souvenir aus einer fernen Galaxie Fang des Tages Statt Südfrüchten bieten die Straßenhändler gebrauchte Golfbälle feil. Sie werden aus den Teichen der Plätze getaucht – und gehen gut 76 <strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015 Europa, Afrika, Asien Von Süden weht die Exotik Afrikas nach Gibraltar, den Lexus umgibt seine eigene. Der Fels ist befahrbar – aber uneinnehmbar
Unterschätzt Mit launigen Tafeln werden Motorradfahrer vor langsamen Autos gewarnt – an jenem Tag war das genaue Gegenteil der Fall Fahrt ins Blaue Für den Werbespot des Films „Die Schlümpfe“ tünchte man 2011 alle Häuser in Júzcar blau. Die Einwohner wollten, dass es so bleibt Schmugglerware Den Trip ins Vereinigte Königreich versüßten goldene Kugeln – ein großer Teil davon wurde unverzollt eingeführt, ein kleinerer reimportiert Reisereportage – da denkt man sofort an Exotik, Abenteuer und Strapazen. Ohne Sie enttäuschen zu wollen: Von all dem ist zunächst herzlich wenig zu spüren an jenem südspanischen Winterdienstag, als wir vor einem der unzähligen Golf- Ressorts in die Klimakomfortsessel des Lexus RC F sacken und uns von der Navi-Dame nicht mal 60 Kilometer bis Gibraltar durchplanen lassen. Ein Lexus-Mitarbeiter schleppt hastig noch ein paar Lunchpakete heran, ein anderer erkundigt sich mit mahnender Stimme nach den Wasservorräten an Bord. Die Fahrzeit soll 49 Minuten betragen. Einer der besten Pässe der Welt? Und da man ja wirklich nie wissen kann, was einem auf einer Expedition mitten durch die Zivilisation so alles widerfährt, schickt man uns sicherheitshalber noch ein Begleitfahrzeug hinterher – einen Toyota Auris Hybrid, der die Aussicht auf Abenteuer nun auch nicht unbedingt erhöht. Dass es am Ende doch kein dröges Tempomat-Gebummel von Mautstation zu Mautstation geworden ist, verdanken wir der Maurenstadt Ronda, der man einst eine gut 40 Kilometer lange Passstraße vor die Tore zwirbelte. Eine der besten in Europa, sagen die einen; eine der besten weltweit, sagen andere. Vorher noch schnell einen Sonnenaufgangs-Burn-out in die Villenkolonie rings um das Hotel gelegt, dann schleunigst los. Erst ein Stückchen Richtung Küste, dann hoch bis auf über 700 Meter – angefangen bei Normalnull. Noch brodelt der RC F verhalten durch die Ausläufer Malagas, dämmert im defensiven Eco-Modus und zeigt sich von der klassischen Lexus-Seite, jener Komfortfinesse, die die Toyota-Tochter immer ganz besonders betont. Zu Recht? Nun ja, bequem ist der RC F in der Tat, gar so wattebauschig, wie man tut, aber nicht. Und das meinen wir ausdrücklich als Kompliment. Überhaupt hat man ein bisschen den Eindruck, als ob er seine Rolle noch nicht so recht gefunden hat. Einerseits macht er auf Next Generation, illustriert sein Drehzahlmesser-Display in vier verschiedenen Themes und lässt das Infotainment mit einer Art Maus bedienen. Andererseits hängt er den Trends ein bisschen hinterher: mit seinem antiquierten Navigationssystem etwa, und vor allem mit seinem frei durchschnaufenden V8, der je nach Vorliebe entweder als K.-o.-Kriterium oder Must-have-Impuls fungiert. Traditionalisten feiern den Fünfliter als Hoffnungsschimmer, als Beweis dafür, dass es so vorbei, wie alle immer sagen, mit den Saugern noch gar nicht sein kann. Zeitgeistigen hingegen fehlt etwas der Kick – emotional ebenso wie faktisch. Nüchtern betrachtet liegt er genau zwischen dem vergangenen V8-M3 und dem RS5 – allerdings ohne die beiden zu übertreffen. Untenrum drückt er nicht ganz so elastisch wie der Audi, oben fehlt ihm die Athletik, wie sie einst der BMW zelebrierte. Noch spielt all das jedoch keine Rolle: Wir gurren durch die schmucklose Dritte-Reihe- Bebauung der Costa del Sol. Kreisverkehr dritte Ausfahrt, Kreisverkehr geradeaus, Kreisverkehr zweite Ausfahrt. Alles ist mit Werbetafeln irgendwelcher Touristenfallen vollgestellt, links und rechts der Route erholen sich Ferienanlagen mit heruntergelassenen Rollos von der Hektik der Hauptsaison, während Händler am Straßenrand Früchte der Saison anbieten – frisch geklaubte Golfbälle. Nach ein paar Kilometern durch die Rushhour reißt die Bebauung ebenso auf wie der Verkehr. Die Höhenmeter steigen – und mit ihnen Kurvenfrequenz und Drehzahl niveau. Vereinzelt schaukeln mitgenommene Geländewagen die Sierra hinauf, ansonsten bremst den Gipfelsturm nur das Gewissen. Der Begleit-Auris? Welcher Auris? Und der RC F passt wunderbar hierher. Nicht nur wegen seiner bizarren Formensprache, die mit ihren Furchen und windgeschliffenen Rundungen fast so aussieht, als habe man sie aus den Felsstrukturen am Streckenrand gehauen. Sondern vor allem, weil ihm die schnellen Schwünge in den spanischen Bergen wohl besser liegen als strenges Ideallinieren im kantigen Hockenheim. Mit anderen Worten: Auch wenn er im Sport-Plus-Modus alle Schnittstellen spürbar intensiviert, für seine Torsensperre auf der Hinterachse sogar eine extraspitze Slalom-Einstellung aufbietet, wäre es nichts anderes als eine Riesensensation, wenn er den BMW M4, den er insgeheim ja anvisiert, im Test ins Wanken brächte. Zumal er im Getriebe seltsam pomadig wirkt. Der Achtstufer nennt sich zwar recht vielversprechend Direct-Shift, braucht jedoch schlicht zu lang, um Paddelbefehle umzusetzen. Magnet der Affen 250 Berberaffen bevölkern den Fels von Gibraltar. Sie turnen ungeniert über Autos, vor allem das fruchtige Novaorange zieht sie an <strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015 77