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MOTORSPORT SHORT STORIES<br />
LMP1-Prototypen<strong>sport</strong> / 24 h Le Mans<br />
WO STEHT DER NISSAN-LMP1?<br />
In der Nacht zum 2. Februar wurde der Nissan-LMP1 GT-R LM<br />
Nismo im Rahmen eines Werbespots zum Superbowl-Finale<br />
der NFL in Amerika enthüllt. <strong>sport</strong> <strong>auto</strong>-Leser kannten die<br />
technischen Eckdaten des Konzeptes bereits (Heft 2/2015, Seite<br />
114), mit dem Nissan die aktuellen LMP1-Wettbewerber Audi,<br />
Porsche und Toyota in der Sportwagen-WM und in Le Mans herausfordern<br />
will. Auch wenn wir im Januar an einigen Stellen<br />
noch auf Spekulationen angewiesen waren, so belegen die<br />
jetzt zur Verfügung stehenden Informationen, dass wir bei den<br />
meisten Punkten richtig lagen. Nichtsdestotrotz gibt es noch ein<br />
paar interessante Details, die der Aufarbeitung wert sind.<br />
Der 60-Grad-V6-Motor stammt in der Tat von Cosworth und<br />
baut auf der Architektur des Formel-1-Triebwerks auf, das aber<br />
bisher nie zum Einsatz gekommen ist. Der Hubraum wurde auf<br />
3,0 Liter vergrößert, das Monoturbo-Arrangement auf Biturbo-<br />
Aufladung umgestrickt. Insider haben enthüllt, dass die Maximaldrehzahlen<br />
im Bereich von 8000/min liegen sollen. Das<br />
komplexe Arrangement an der Front ist mittlerweile auch<br />
geklärt: Der Energiespeicher – ein Schwungmassensystem von<br />
Torotrak – sitzt demnach unterhalb der Fahrerbeine, bildet also<br />
einen Puffer zwischen Cockpit und Motor. Vor dem Motor sitzt<br />
ein Fünfganggetriebe von Xtrac, das die Vorderräder antreibt.<br />
Das Triebwerk soll je nach Hybridklasse bis zu 700 PS leisten.<br />
Momentan ist das Hybridsystem die größte Baustelle bei<br />
Nissan: Die Tests begannen ohne Hybridsystem, mittlerweile<br />
fährt man mit einem Schwungmassenspeicher, der die Rekuperationsenergie<br />
der vorderen Bremsen aufnimmt und mittels<br />
einer Kardanwelle an die Hinterräder weiterleitet. Das eigentliche<br />
Konzept besteht aber aus der Verwendung von zwei parallel<br />
arbeitenden Schwungmassenspeichern, die links und rechts<br />
von der Mittelachse vor dem Cockpit verstaut sind. Im Parallelbetrieb<br />
soll das duale System bei einem anvisierten Start in der<br />
höchsten Hybridklasse von 8 MJ bis zu 600 PS an die Hinterräder<br />
liefern – was die angepeilte Systemleistung von 1400 PS<br />
bestätigt. Allerdings gibt es erhebliche thermische und elektronische<br />
Probleme beim Hybridsystem, weshalb erwogen wird,<br />
2014 nur mit einem Schwungmassenspeicher und weniger<br />
Spitzenleistung anzutreten. Zudem erreicht Nissan das angepeilte<br />
Gewicht von 880 Kilo nur mit einem Torotrak-System.<br />
Der gesamte Heckbereich ähnelt einem Doppeldecker-Flugzeug:<br />
Zwischen Unterboden und Heckabdeckung klafft ein Spalt<br />
von 40 Zentimetern; hier soll die Luft vom Ausgang des<br />
Frontflügels ausströmen. Die Luftleitschächte weisen keinerlei<br />
Blockaden durch Fahrwerksteile oder Antriebswellen auf. Das<br />
Tunnelkonzept der internen Durchströmung hat historische<br />
Vorbilder (Bentley Speed 8, Audi R15 TDI), ist aber auch berühmt<br />
dafür, nicht bei allen Fahrzuständen konstanten Abtrieb<br />
zu liefern. Wie vermutet, verwendet der Nissan-LMP1 kleinere<br />
Reifen als die seiner Gegner, dafür aber mit einer höheren<br />
Flanke, um den Grip zu erhöhen. Weil die Hinterräder nur beim<br />
Boosten Antriebskraft aufnehmen müssen, sind sie deutlich<br />
schmaler (20 Zentimeter) als die Vorderräder (31 cm).<br />
Angeblich lasten über 60 Prozent des statischen Gewichtes<br />
auf der Vorderachse, und der Gewichtsschwerpunkt soll im<br />
Bereich des Lenkgetriebes liegen. Die Fahrer dürfen offiziell<br />
nicht über die Fahreigenschaften reden, aber es ist durchgesickert,<br />
dass sich der Nissan wie ein Fronttriebler fahren soll und<br />
die Reifentemperaturen bei Tests auf der F1-Strecke in Austin<br />
bereits nach wenigen Kurven durch die Decke schossen – und<br />
sich dann in der Folge extremes Untersteuern einstellte.<br />
136 <strong>sport</strong><strong>auto</strong>.de 3/2015