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FORMEL 1 TECHNIK: DAS ZWEITE JAHR DER HYBRID-FORMEL Kalte Finger Massa und Bottas begutachten im kühlen Jerez den neuen Williams FW37 mit der Knubbelnase DIE MOTOREN WURDEN LAUTER. SIE KLINGEN JETZT NICHT MEHR NACH RASENMÄHER Auftakt mit Tücken Neuling Sainz junior stellt seinen Toro Rosso ab Ansteigende Formkurve Vettel war mit dem neuen Ferrari auf Anhieb zufrieden 140 sportauto.de 3/2015
Eine gute Nachricht vorweg: Die Formel 1 ist lauter geworden. Und das signifikant. Auch die Klangfarbe geht in die richtige Richtung. Weniger Rasenmäher oder Haarföhn, mehr Rennmotor. Man fühlt sich schon in die erste Turbo-Ära zurückversetzt. Mercedes-Motorenchef Andy Cowell war ratlos: „Es hört sich lauter an, aber wir wissen nicht, warum. Wir haben jedenfalls bewusst nichts gemacht, das den Ton der Motoren verändern würde.“ Vielleicht doch. Alle Motorenhersteller haben über den Winter ihre Auspuffsysteme optimiert. Mercedes zum Beispiel verlängerte den Auspuff, um mehr Leistung aus dem Verbrennungsmotor zu holen. Die Krümmer sind nun verschlungen wie ein Schlangennest, um sie platzsparend unterzubringen. Renault machte das Gegenteil. Ferrari vergrößerte den Turbolader. Beide wollen damit mehr Power aus der MGU-H ziehen. Den Kritikern der Hybrid-Formel gehen langsam die Argumente aus. Nicht nur der Sound ist besser. Die Rundenzeiten befinden sich im freien Fall. Vor zwölf Monaten fuhr der Schnellste nach vier Tagen eine Zeit von 1.23,276 Minuten. Kimi Räikkönen pulverisierte den Wert um 2,435 Sekunden. Formel-1-Ingenieure lernen schnell. Im zweiten Jahr der Hybrid-Ära ist der Grad an Perfektion erschreckend hoch. 2014 legten zehn Teams beim Testauftakt in Jerez 1465 Runden zurück. Der V6-Turbo mit seinen zwei Elektromaschinen war noch unbekanntes Terrain. Ein Jahr später spulten acht Autos 2313 Runden ab. Nur McLaren-Honda schwächelte. Neuzugang Honda durchlitt die gleichen Qualen wie die Mitbewerber vor einem Jahr. Trotz einer besseren Ausgangslage. Die Japaner hatten eine Saison lang Anschauungsunterricht. Ihr Partner McLaren fuhr noch mit dem Mercedes-Motor. Honda kannte alle Leistungsdaten des Marktführers, die Architektur des Motors, die Strategien des Energiemanagements, Rundenzeiten, Sektorwerte und Geschwindigkeiten in jeder Kurve und jeder Lebenslage. „Das Ziel zu kennen, macht vieles einfacher“, behauptet der Schweizer Motorenpapst Mario Illien. „Du musst aber auch wissen, wie“, stöhnt Honda- Berater Gilles Simon. Der frühere Ferrari-Motorenchef baut einer Pleite schon vor: „Honda hatte zwei Jahre Entwicklungszeit. Unsere Gegner drei. Es wird ein hartes Jahr für uns.“ Honda bekam im November 2014 auch das Geschenk, zwei Tage lang in einem Interims-McLaren in Abu Dhabi testen zu dürfen. Der Neuling nutzte sie nur unzureichend. Nach fünf Runden an zwei Tagen wussten die Motorenkonstrukteure nur, dass noch ein Berg Arbeit vor ihnen stand. Als McLaren- Honda in Jerez mit dem neuen MP4-30 ausrückte, da schien es, als hätte man nichts aus dem verunglückten Probegalopp gelernt. Sechs Runden am ersten Tag, 79 insgesamt. Dazu 6,8 Sekunden Abstand zur Bestzeit. Der Motor klang manchmal nur nach 500 PS. 79 Runden an vier Tagen Den McLaren-Honda bremsten ähnliche Kinderkrankheiten wie zwei Monate zuvor in Abu Dhabi. Gilles Simon erzählte eine Leidensgeschichte auf Japanisch: „Die Elektronikboxen kommunizieren nicht miteinander. Am Prüfstand funktioniert es, aber im Auto sind die Kabel ein bisschen anders verlegt, da fällt ein Stecker ab oder steigt ein Sensor aus. Es sind nur kleine Probleme, die aber verhindern, dass wir die großen sehen. Wir brauchen Kilometer, um endlich mehr über unseren Motor zu erfahren.“ 4000 standen für zwölf Testtage im Plan. Nach vier Tagen hatte McLaren gerade mal 350 Kilometer geschafft. Um die Kritiker bei Laune zu halten, beschworen Fernando Alonso und Jenson Button die goldenen Tage der ersten Ehe von McLaren und Honda. Sie hat zwischen 1988 und 1992 acht WM-Titel und 44 Grands Prix gewonnen. Und das Auto war vom ersten Testtag an außerirdisch schnell. Ayrton Senna hängte 1988 die Konkurrenz beim Stapellauf des McLaren-Honda MP4/4 um 1,5 Sekunden ab. Noch halten sich die McLaren-Stars mit Durchhalteparolen über Wasser. „Das Projekt braucht Zeit. Den anderen ging es vor einem Jahr nicht besser.“ Die Ingenieure loben, dass ihr Auto das macht, was der Windkanal verspricht, und dass die Kühlung trotz der Wespentaille im Heck funktioniert. Doch wie groß ist die Aussagekraft, wenn sich das Auto im Kriechgang bewegt? Teamchef Ron Dennis hat noch andere Sorgen. Sein McLaren fährt nahezu nackt durch die Gegend, Aufkleber Mangelware. Dennis hatte vier potenzielle Hauptsponsoren an der Angel und es sich mit allen verscherzt. Zu seinem Ärger läuft sein neuer Superstar Alonso wie ein Taliban durch die Gegend. Dennis hasst Bärte. Alonsos finstere Miene lässt erahnen, wie sehr es in dem Spanier sportauto.de 3/2015 141
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