anzeiger des vereins thüringer ornithologen - Verein Thüringer ...
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Synthetikern zuzurechnen sind, die im Sammelwerk<br />
»Die Evolution der Organismen« publiziert<br />
haben, werden exakt auf ihre Haltung zum Dritten<br />
Reich und <strong>des</strong>sen Ideologie durchleuchtet. -<br />
Die Aktivitäten im Darwinjahr 1959 und manches<br />
zuvor und danach Erschienene im deutschsprachigen<br />
Raum analysiert W.-E. REIF (Deutschsprachige<br />
Evolutions-Diskussion im Darwinjahr 1959.<br />
S. 361-395). All diese Veröffentlichungen aber<br />
können »nicht an der Meßlatte der internationalen<br />
Literatur gemessen werden«, denn die Synthetische<br />
Theorie wurde »von den deutschen<br />
Biologen kaum als fundamentaler Durchbruch<br />
wahrgenommen.« Demzufolge differenzierte sich<br />
damals die Evolutionsbiologie weder als eigenes<br />
Forschungs- und Unterrichtsgebiet an den Hochschulen,<br />
noch institutionalisierte sie sich in einer<br />
wissenschaftlichen Gesellschaft mit eigner<br />
Zeitschrift. Sprachbarrieren taten ein übriges. Die<br />
erste wichtige Diskussion nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg kam im August 1952 in Bern zustande.<br />
Hier trafen Forscher, die die Kleinrnutationen als<br />
Elemente der Evolution betrachteten auf den prominentesten<br />
Vertreter der Typostrophentheorie,<br />
O.-H. SCHINDEWOLF, der »ohne tatsächliche Berücksichtigung<br />
der internationalen Literatur« argumentierte.<br />
Das wichtigste Werk <strong>des</strong> Darwinjahres,<br />
»Die Evolution der Organismen« (2. Aufl.,<br />
1954-59), macht »insgesamt keinen sehr dynamischen,<br />
sondern einen überwiegend <strong>des</strong>kriptiven<br />
Eindruck. Die einzelnen Autoren waren<br />
durchaus mit der internationalen Literatur der<br />
Nachkriegszeit in ihrem eigenen Spezial gebiet<br />
vertraut, hatten aber überwiegend keine Einsicht<br />
in die Einheit und Dynamik der Evolutionstheorie<br />
und Evolutionsbiologie.« Insgesamt: »Das<br />
Buch erreicht also bei weitem nicht den internationalen<br />
Diskussionsstand <strong>des</strong> Jahres 1959« (S.<br />
370). HEBERER stellte sein Evolutionskonzept<br />
»unter dem extrem mißverständlichen Titel der<br />
additiven Typogenese dar und betonte am<br />
Schluß, ganz im Sinne der Synthetischen Theorie,<br />
daß eine Trennung von Mikroevolution und<br />
Makroevolution ganz fallen zu lassen sei« (S. 371<br />
0. Je eine Festschrift, die 1960 in der BRD und<br />
der DDR erschien, analysiert der Verfasser. In der<br />
westdeutschen Schrift deckten DOBZANSKY und<br />
HUXLEY den Problemkreis der Modernen Synthese<br />
ab. W. LUDWIG setzte sich zum Teil mit antidarwinistischen<br />
Ansichten auseinander und anerkannte<br />
die evolutionären Mechanismen. Bei W.<br />
ZIMMERMANN, der die gesamte moderne Literatur<br />
zitiert und die zentralen Thesen der Synthetischen<br />
Theorie vertrat, taucht diese »weder als<br />
historisches Phänomen noch als eigenes Gedan-<br />
Anz. Ver. Thüring. Ornithol. 4 (2000) 123<br />
kengebäude ... auf« (S. 373). Der Artikel H.<br />
SCHMIDTS demonstriert die Rückständigkeit der<br />
Paläontologie in Deutschland hinsichtlich der<br />
Evolutionstheorie. In der DDR tagte die Biologische<br />
Gesellschaft im Oktober 1959 zu Ehren<br />
LAMARCKS, DARWINS und HAECKELS. Die Vorträge<br />
bewegten sich weit unter dem Stand der internationalen<br />
Literatur, wenn von ZIMMERMANN, der<br />
»seine Theorie der adaptiven, gradualistischen<br />
Evolution ... , in der Populationen eine allerdings<br />
mehr implizite als explizite Rolle spielen« (S. 375),<br />
darstellte, und den biologiehistorischen Vorträgen<br />
abgesehen wird. Während in der DDR damals<br />
fast niemand mehr vom Lyssenkoismus sprach,<br />
vertraten die Referenten aus den übrigen Ostblockländern<br />
noch diese Irrlehre. Interessant ist<br />
das Schweigen nach den Vorträgen dieser Referenten<br />
im Gegensatz zu den Diskussionen nach<br />
den anderen Themen. Wir sehen m. E. einen untauglichen<br />
Versuch <strong>des</strong> Marxismus-Leninismus<br />
in der DDR, aus der Sackgasse, in die er sich mit<br />
der »Sowjetbiologie« hinein manöveriert hatte,<br />
wieder herauszukommen, um seine »Einheit und<br />
Geschlossenheit« zu wahren. (Besonders F. EN<br />
GELS vertrat im Anschluß vor allem an HAECKEL<br />
die These der »Vererbung erworbener Eigenschaften«.)<br />
Und das zeigt sich noch deutlicher<br />
an einem dritten, von REIF übersehenen Band<br />
(» 100 Jahre Darwinismus. Protokoll der Darwin<br />
Tagung vom 8. und 9. Januar 1959«, hrsg. vom<br />
Präsidium der Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher<br />
Kenntnisse, Sektion Biologie;<br />
Leipzig/Jena 1959). LYSSENKO war zu dieser Vortragstagung<br />
(8.-9. 1. 59) nicht mehr gefragt, hatte<br />
doch schon 1956 der Chefideologe der SED,<br />
K. HAGER, im »Neuen Deutschland« vom 27. 3.<br />
1956 die Lehren LYSSENKOS entkanonisiert und<br />
zur kontroversen Diskussion freigegeben. Sein<br />
Spitzenpropagandist, G. SCHNEIDER, durfte die Tagung<br />
nur kurz eröffnen und mit einem knappen<br />
Diskussionsbeitrag aufwarten. Das Hauptreferat<br />
hielt der Philosoph H. WESSEL, der später als<br />
Journalist (»Neues Deutschland«) arbeitete. Umfangreiche<br />
Passagen hätten vom Wissensstand<br />
her auch schon am Ende <strong>des</strong> 19. oder Anfang<br />
<strong>des</strong> 20. Jh. formuliert werden können. Ausgerechnet<br />
W. LUDWIG (Heidelberg) näherte sich (S.<br />
21 0 dem Mitschurinismus. - W. ROTHMALER war<br />
niemals »Agrarökonom«, wie REIF S. 376 angibt,<br />
sondern Botaniker, der vor allem durch seine 1999<br />
in 16. Auflage erschienene »Exkursionsflora von<br />
Deutschland« bekannt ist. Es ist nicht so, wie<br />
REIF S. 378 meint, daß »der Darwinismus (Deszendenztheorie<br />
und/oder Selektionstheorie) im<br />
deutschen Sprachraum nach dem Zweiten Welt-