anzeiger des vereins thüringer ornithologen - Verein Thüringer ...
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Anz. Ver. Thüring. Ornithol. 4, 41-58 Mai 2000<br />
Fortpflanzung im »Wald der Rotmilane« - eine Fehlentscheidung?<br />
ERWIN RUDOLF SCHERNER *<br />
Mit 11 Abbildungen und 11 Tabellen<br />
Zusammenfassung<br />
Im Harzvorland zwischen Oschersleben, Staßfurt, Hettstedt, Quedlinburg und Halberstadt (1023 km2) waren Ansiedlungen<br />
von Rotmilan Milvus milvus und Schwarzmilan M. migrans früher nahezu völlig auf die bewaldete Hochfläche <strong>des</strong><br />
Hakel (13 km2) beschränkt. Neuerdings jedoch liegen die meisten Nistplätze in der Agrarlandschaft. Im Hakel hat sich<br />
der Brutbestand <strong>des</strong> Rotmilans zwischen 1979 und 1996 um 98 Paare verringert. Wie ein Populationsmodell zeigt,<br />
läßt sich diese Entwicklung nicht auf Minderungen der Fruchtbarkeit zurückführen. Ursache ist wohl eine starke,<br />
fortschreitende Verringerung <strong>des</strong> Nahrungsangebotes, die auch eine wachsende Tendenz zu Ansiedlungen in der<br />
offenen Landschaft bewirkte. Da sich Rotmilane im Harzvorland vornehmlich von Säugetieren, insbesondere Feldmaus<br />
Microtus arvalis, FeldhaseLepus europaeus und Feldhamster Cricetus cricetus ernähren, verweist das Populationsmodell<br />
auf eine Steuerung der Dynamik <strong>des</strong> Hakel-Brutbestan<strong>des</strong> durch die Agrarwirtschaft.<br />
Obwohl der agrarische Strukturwandel und die Minderung <strong>des</strong> Nahrungsangebotes nicht auf einzelne Abschnitte der<br />
Region beschränkt waren, zeigt die Populationsdynamik <strong>des</strong> Rotmilans lokale Differenzierungen, nämlich gegenläufige<br />
Entwicklungen der Brutbestände in Hakel und um Aschersleben sowie im Hakel drastisch reduzierte Fortpflanzungsleistungen,<br />
jedoch im Raum Aschersleben Brutgrößen, wie sie 1957-1 967 auch im Hakel verzeichnet<br />
wurden. Diese Unterschiede sind offenbar topographisch bedingt, bei der anderen Art jedoch ausgeblieben. Da Wälder<br />
für den Nahrungserwerb kaum geeignet sind, benötigen dort nistende Milane erheblich größere Aktionsräume als<br />
Artgenossen inmitten der Agrarlandschaft. Dementsprechend sind Brutvögel im Hakel von einer allgemeinen<br />
Verschlechterung <strong>des</strong> Nahrungsangebotes prinzipiell stärker betroffen als anderenorts siedelnde Individuen. Die<br />
Milane <strong>des</strong> Harzvorlan<strong>des</strong> haben ähnliche Nahrungsspektren, doch ist milvus größer und leistungsfähiger: migrans<br />
zeigt Präferenzen z. B. für Feldmaus, andere Kleinsäuger und »Sonderobjekte« (Amphibien, Fische, Käfer, Wurstreste<br />
etc.); bei der anderen Art dominieren schwerere Tiere. Befunde von 1982 - 1991 dokumentieren eine gegenüber<br />
1957-1967 deutlich veränderte Situation der im Hakel nistenden Paare: migrans nutzte vermehrt Kleinsäuger,<br />
während sich bei milvus der Anteil <strong>des</strong> Feldhamsters verringerte, was offenbar teilweise durch die Hauskatze kompensiert<br />
wurde. Unterschiede sind auch zwischen Hakel (1982-1991) und dem Ascherslebener Raum (1978-1 989) nachweisbar:<br />
Wesentlich häufiger als im Wald nistende Artgenossen erbeuten Rotmilane der Agrarlandschaft Kleinsäuger und<br />
Vögel, seltener jedoch den Feldhamster, der in den Nahrungsspektren der beiden Milane um Aschersleben annähernd<br />
gleiche Frequenzen erreicht. Die drastische Verschlechterung der Brutergebnisse <strong>des</strong> Rotmilans im Hakel ist offenbar<br />
auch Ergebnis konkurrenzbedingter »Nischentrennung«. Daß die andere Art diesem Effekt entgehen konnte, darf<br />
wohl auf deren vermehrte Nutzung von Kleinsäugern zurückgeführt werden.<br />
Summary<br />
Reproduction in the »Red Kite Wood« - a wrong decision?<br />
Formerly, breeding sites of Red Kite Milvus milvus and Black Kite M. migrans in the foothilIs of the Harz Mountains<br />
between Oschersleben, Staßfurt, Hettstedt, Quedlinburg and Halberstadt (1023 km2) were almost entirely restricted to<br />
the wooded Hakel plateau (13 km2). Today, however, most sites are situated within agricultural areas. The number of<br />
Red Kites nesting in the Hakel declined by 98 pairs during 1979-1996. A population model suggests that this change<br />
cannot be the result of reductions in fertility. Drastic, proggressive declines in food availability, which also gave rise<br />
to an increasing tendency to colonize open landscapes, seem to be responsible. Since Red Kites in the Harz foothilIs<br />
prey mainly on mammals, especially Common Vole Microtus arvalis, Brown Hare Lepus europaeus and Common<br />
Hamster Cricetus cricetus, the population model indicates that fluctuations in the Hakel breeding population are<br />
determined by agricultural practices. Though changes in agriculture and food declines were not restricted to single<br />
areas in the region, there are local differences in Red Kite population dynamics: opposite changes in numbers of<br />
breeding pairs in the Hakel and near Aschersleben; a drastically reduced breeding performance in Hakel birds, but<br />
around Aschersleben brood sizes which were recorded in the Hakel during 1957- 1967. Obviously, the reason for this<br />
are topographical effects, but these variations did not occur in M. migrans. Since woodland offers poor foraging<br />
conditions, forest kites need considerably larger horne-ranges than individuals colonizing open areas. Thus, birds<br />
nesting in the Hakel are more strongly affected by reductions in prey numbers than those at other sites. Kites in the<br />
Harz foothilIs have similar diets, but M. milvus is bigger and more efficient. M. migrans shows preferences for, e.g.,<br />
Common Vole, other small mammals, and »special items« (amphibians, fish, beetles, sau sage remains, etc.); heavier<br />
* Dr. E. R. Scherner, Im Wiesengrund 5 a, D-49681 Garrel