anzeiger des vereins thüringer ornithologen - Verein Thüringer ...
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62 H. Grimm: Historische und aktuelle Situation der Haubenlerche Galerida cristata in Thüringen<br />
Schlotheim (<strong>Thüringer</strong> Becken) sommers wie winters<br />
»sehr häufig« (SPERRSCHNEIDER 1853). Aus<br />
diesen wenigen belegten Eckdaten kann jedoch<br />
auf den zeitlichen und räumlichen Verlauf der<br />
Ausbreitung höchstens gemutmaßt werden, denn<br />
insgesamt fehlen aus weiten Teilen Thüringens<br />
jegliche Quellen, und der Aktionsradius der wenigen<br />
Vogelkundigen jener Zeit war eher bescheiden,<br />
ebenso die Zahl ornithologischer Publikationen.<br />
Außerhalb der Brutzeit war die Haubenlerche<br />
anfangs <strong>des</strong> 19. Jh. bereits eine gewöhnliche Erscheinung.<br />
BECHSTEIN (1807) schreibt: »Nur im Herbst und<br />
Winter trifft man sie in Thüringen in den Städten und<br />
Dörfern, auf den Landstraßen, Miststätten, vor den<br />
Ställen und Scheunen unter den Sperlingen und Goldammern,<br />
einzeln und in Menge an . ... Im October trifft<br />
man sie in Thüringen schon einzeln auf den Landstraßen<br />
an, wo sie sich mit den weißen Bachstelzen herum<br />
beißt, zu Ende dieses Monats vereinigen sie sich zu<br />
kleinen Gesellschaften und fliegen bey Städten und<br />
Dörfern auf kahlen erhabenen Plätzen herum, und in<br />
kalten Wintern kommen sie in großen Zügen selbst in<br />
die Städte und Dörfer ... «<br />
Ähnlich klingt dies bei BREHM (1841): »In Wangenheim<br />
bei Gotha erlegte ich sie im October auf den<br />
Wegen und öden Rasenplätzen in der Nähe <strong>des</strong> Dorfes<br />
und zwischen Kranichfeld und Arnstadt sah ich sie im<br />
December neben und auf großen Bauernhöfen« .<br />
In Jena brütete die Haubenlerche zu dieser Zeit<br />
noch nicht. So berichtet ZENKER (1836) von dort, daß<br />
sich »die Heckenlerche (Galerida cristata et viarum) ...<br />
nur im Winter auf den Straßen blicken läßt.«<br />
Auch in Südthüringen erschien sie »nur während<br />
strenger Winter« (REGEL 1895).<br />
Was die »Einwanderung« der Art nach Thüringen<br />
betrifft, so darf sie nicht so verstanden werden,<br />
daß großräumig eine breite Ausbreitungsfront<br />
aus ein e r geographischen Richtung auf unser<br />
Territorium traf und es nach und nach in Besitz<br />
nahm. Vielmehr hat die Haubenlerche schon weitaus<br />
früher als erstmals für Thüringen belegt, für<br />
sie günstige mitteleuropäische Lebensräume zumin<strong>des</strong>t<br />
zeitweilig besiedelt (z. B. MARSHALL 1886;<br />
HEYDER 1952; GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1985),<br />
wobei sowohl klimatische Faktoren als auch solche<br />
der Bodenstruktur und der Landnutzung ein<br />
Rolle spielten. Bei der Arealausweitung im späten<br />
18. und im 19. Jh. haben günstige Ausbreitungswege,<br />
wie etwa Flußtäler, wahrscheinlich auch<br />
Verkehrstraßen oder Hindernisse, wie z. B. bewaldete<br />
Gebirgszüge, auch in Thüringen den<br />
räumlichen und zeitlichen Verlauf der Ausbreitung<br />
mitbestimmt. So kann für die Gebiete nördlich <strong>des</strong><br />
<strong>Thüringer</strong> Wal<strong>des</strong> die Ansicht von REGEL (1896)<br />
»für unser Gebiet kommt die norddeutsche Einzugslinie<br />
in Betracht« zutreffen, die früher bereits<br />
LIEBE (1872) ähnlich formulierte: »mag wohl ...<br />
von Nordosten in unser Gebiet eingewandert<br />
sein.« Möglicherweise erfolgte sie aus der Leipziger<br />
Tieflandsbucht heraus, wo zu diesem Zeitpunkt<br />
schon größere Bestände existierten (u. a. BREHM<br />
1841, GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1985). Die<br />
Einwanderung nach Südthüringen wird dagegen<br />
aus südlicher Richtung, evtl. über das Maintal,<br />
erfolgt sein.<br />
Von der ersten Erwähnung der Art in Thüringen<br />
bis zur Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts stammen,<br />
mit Ausnahme einer Meldung aus der ebenfalls<br />
wärmebegünstigten Orlasenke, alle belegten Hinweise<br />
auf Bruten aus dem durch sein mil<strong>des</strong> Klima<br />
gekennzeichneten <strong>Thüringer</strong> Becken. Das verwundert<br />
bei der Bewohnerin trockenwarmer Standorte<br />
insofern nicht, als diese Zeitspanne noch in<br />
das Ende der »kleinen Eiszeit« fällt, die erst etwa<br />
um 1855 zu Ende ging (FLOHN 1988) und einen<br />
insgesamt kontinentalen Klimacharakter mit kühlen<br />
Sommern und kalten Wintern aufwies (HUPFER<br />
& THIELE 1989).<br />
4.2. Zweite Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />
Noch nach der Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts bleiben<br />
Angaben zum Brüten der Haubenlerche recht<br />
spärlich, werden aber bereits in den beiden letzten<br />
Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende häufiger.<br />
Vor allem stammen sie nun aus einem zunehmend<br />
größeren Gebiet.<br />
Bereits 1859 wird sie für Gera als ein häufiger<br />
Brutvogel erwähnt (Ornithol. Sektion Gera 1859<br />
- zitiert bei HILDEBRANDT & SEMMLER 1975). Im<br />
Altenburger Raum brütete sie um 1860 »nur einzeln«,<br />
hat sich aber seit dieser Zeit »sehr gemehrt,<br />
brütet mit Vorliebe an Bahndämmen und kommt<br />
im Winter zahlreich in Dörfer und Städte« (KoE<br />
PERT 1896). Aus der Bemerkung SPERRSCHNEIDERS<br />
(1853), daß sich die Art bei Jena »doch ziemlich<br />
häufig findet«, geht nicht hervor, zu welcher<br />
Jahreszeit dies sein sollte. Noch für die Zeit nach<br />
der Jahrhundertmitte erwähnen nämlich SIGIS<br />
MUND (1862; zitiert bei MEY 1992), daß sie nur<br />
winters in das Saaletal kommen, bzw. WEßNER<br />
(1888), daß sie »beim ersten Schneefall in der<br />
Stadt« erscheint. Letzterer berichtet aber bereits<br />
kurz darauf (1893), daß die Haubenlerche nun<br />
zahlreicher Brutvogel sei, »<strong>des</strong>sen Liedchen man<br />
im ersten Frühjahr von den Dächern der Stadt