208 R. GROSS Kapitel 5: <strong>Beugung</strong> <strong>und</strong> <strong>Interferenz</strong>Gegner der Wellentheorie des Lichts überzeugte. Aus diesem Gr<strong>und</strong> war die Fresnel-<strong>Beugung</strong> für diehistorische Entwicklung der Optik von zentraler Bedeutung. 6Anschaulich kann man sich die Entstehung des Poisson-Fleck so vorstellen, dass sich die Elementarwellen,die sich jenseits des Umfangs des Scheibchens ausbreiten, sich phasengleich auf der Symmetrieachsetreffen <strong>und</strong> dadurch einen hellen Fleck erzeugen. Fall eine Scheibe mit relativ großem Durchmesserverwendet wird, ist wichtig, dass der Rand der Scheibe sehr glatt ist, da die Fresnelschen Zonenmit wachsendem Radius immer schmäler werden (siehe nächster Abschnitt). Unregelmäßigkeiten desScheibenrandes in der Größenordnung der Dicke der betreffenden Fresnelschen Zone würden dann dieEntstehung des hellen Flecks verhindern.Die ZonenplatteFür lange Zeit war die Zonenplatte (siehe Abb. 5.8) kaum mehr als ein physikalisches Spielzeug, mitdem sich die Fresnel-<strong>Beugung</strong> schön demonstrieren ließ. Ihre Bedeutung hat allerdings dadurch starkzugenommen, dass sie ein einfaches Modell zum Verständnis der Holographie darstellt. Seit kurzemwird sie auch in der Röntgenmikroskopie verwendet. Wir werden nämlich sehen, dass wir mit Hilfe derZonenplatte abbildende Linsen konstruieren können. Für Röntgenlicht ist dies sehr interessant, da man indiesem Wellenlängenbereich z.B. keine Glas- oder Quarzlinsen verwenden kann, weil diese Materialien(wie andere Materialien auch) Röntgenstrahlen absorbieren <strong>und</strong> einen Brechungsindex sehr nahe bei einshaben.Zonenplatten realisiert man mit abwechselnd schwarzen <strong>und</strong> weißen Ringen (siehe Abb. 5.8), wobeiweiß bzw. schwarz bedeutet, dass die Transmission dieses Bereichs hoch (ideal gleich eins) bzw. niedrig(ideal gleich null) ist. Die Radien der einzelnen Ringe entsprechen den Radien der Fresnelschen ZonenR 2 m = mλL = mR2 1 , wobei R 1 der Radius der 1. Fresnelschen Zone ist (siehe Abb. 5.9). Damit wird g(s)eine periodische Funktion mit der Periode 2R 2 1 für ganzzahliges m ≥ 0:g(s)=1 [2mR 2 1 < s < (2m + 1)R2 1 ]g(s)=0 [(2m + 1)R 2 1 < s < (2m + 2)R 2 1] . (5.3.13)Der Ausdruck (5.3.13) beschreibt eine Rechteckfunktion <strong>und</strong> wir können (den Integranden in 5.3.4) nachHarmonischen entwickeln. Das Ergebnis besteht aus Delta-Funktionen mit den Werten(−1) m−12k 0 A2imπL(5.3.14)6 Im Jahr 1818 nahm Fresnel an einem von der Académie Française ausgerichteten Wettbewerb teil. Seine Arbeit zur <strong>Beugung</strong>stheoriewurde nach einigen Diskussionen mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Die Jury bestand aus mehreren berühmtenWissenschaftlern: Pierre Laplace, Jean B. Biot, Siméon D. Poisson, Dominique F. Arago <strong>und</strong> Joseph Gay-Lussac. Poisson warein starker Verfechter der Teilchennatur des Lichts <strong>und</strong> entsprechend ein kategorischer Gegner der von Fresnel verwendetenWellenbeschreibung. Er zog aus der Arbeit Fresnels eine anscheinend völlig unsinnige Folgerung. Er zeigte, dass man gemäßder Fresnelschen Theorie im Mittelpunkt des Schattens eines kreisförmigen Hindernisses einen hellen Fleck beobachten sollte.In Poissons Augen führte diese Folgerung Fresnels Theorie ad absurdum. Die überraschende Vorhersage, die von Poissonabgeleitet wurde, um die Wellentheorie des Lichts zu widerlegen, wurde jedoch von Arago sofort experimentell bestätigt. Derhelle Fleck wird deshalb heute oft Poissons Fleck genannt. Er wurde allerdings bereits fast 100 Jahre vorher im Jahr 1723von Maraldi beobachtet, dessen Arbeit aber unbeachtet blieb (siehe z.B. J. E. Harvey, J. L. Forgan, The spot of Arago: NewRelevance for an old phenomenon, Am J. Phys. 52, 243 (1984)).c○<strong>Walther</strong>-Meißner-<strong>Institut</strong>
Abschnitt 5.3 PHYSIK III 209(a)(b)f(r)(c)0 1 2 3 4 5g(s)r/R 10 2 4 6 8 10s/R 1 ²Abbildung 5.8: (a) Zonenplatte, (b) f (r) <strong>und</strong> (c) g(s) für eine Zonenplatte, wobei s = r 2 .für ungerades m an diskreten Stellen von L, wobei L die Gleichungk 0L= 2πR 2 1oder1L = λ R 2 1(5.3.15)erfüllen muss. Wir finden daher bei diesen Werten von L eine Reihe von Brennpunkten, an denen Lichtkonzentriert wird. Setzt man L aus (5.3.15) in den Ausdruck für die Amplituden (5.3.14) ein, sieht man,dass diese alle gleich groß sind. Dies ist ein spezielles Ergebnis, das aus der Zerlegung einer Rechteckfunktionin ihre Harmonischen resultiert (vergleiche hierzu Anhang B). Es gilt nicht für andere Funktionen.Eine Zonenplatte kann in ähnlicherweise wie eine Linse verwendet werden. Konzentrieren wir uns aufeine bestimmte <strong>Beugung</strong>sordnung, beispielsweise auf m = 1, so können wir aus Abschnitt 5.2.3 sehen,dass bei Beleuchtung mit einer Punktquelle in der Entfernung L 1 sich die Bildposition so verschiebt, dassdie Gleichung1L + 1 = 2πL 1 k 0 R 2 1= λ R 2 1(5.3.16)erfüllt wird. Sie entspricht der Abbildung einer Linse mit der Brennweite f = L = R 2 1 /λ. Offensichtlichleidet die Abbildung unter starken chromatischen Aberrationen, da die Brennweite von der Wellenlängeabhängt. Solche Linsen werden heute in der Röntgenmikroskopie verwendet.2003