226 R. GROSS Kapitel 5: <strong>Beugung</strong> <strong>und</strong> <strong>Interferenz</strong>5.4.4 <strong>Beugung</strong> an phasenschiebendem ObjektWir betrachten nun ein Objekt, das Licht nicht absorbiert <strong>und</strong> dadurch die Amplitude des Lichts konstantlässt, aber bei der Transmission seine Phase beeinflusst. Jedes Fensterglas wird sich z.B. so verhalten:es ist durchsichtig, aber seine Dicke ist nicht konstant, wodurch Licht, das an unterschiedlichen Stellendas Glas durchläuft, unterschiedliche Phasenschiebungen erfährt. Ist der Brechungsindex des Glases n,so ist der Unterschied in der Länge des optischen Weges zwischen zwei Wegen mit den Glasdicken d 1<strong>und</strong> d 2 gerade (n − 1)(d 1 − d 2 ). Dadurch ist eine ebene Wellenfront, die auf der einen Seite des Glaseseinläuft, auf der anderen Seite des Glases keine ebene Welle mehr. Da wir Wellen verschiedener Phaseaber gleicher Amplitude durch komplexe Amplituden mit gleichem Vorfaktor darstellen können, könnenwir dieses Phasenobjekt durch eine komplexe Transmissionsfunktion f (x,y) mit konstantem Vorfaktordarstellen. Betrachten wir z.B. ein dünnes Prisma mit einer Dicke d = αx an der Stelle x, so erhalten wir:f (x,y) = exp[ik 0 (n − 1)d]=exp[ik 0 (n − 1)αx] (5.4.23)Nehmen wir ferner an, dass das Prisma in x- <strong>und</strong> y-Richtung unendlich ausgedehnt ist, so hat das zuf (x,y) gehörige <strong>Beugung</strong>smuster die FormΨ(u,v) =∫ ∞−∞exp[ik 0 (n − 1)αx] exp(−iux)dx∫ ∞−∞exp(−ivy)dy= δ[u − (n − 1)k 0 α] δ(v) . (5.4.24)Die gebeugte Welle breitet sich daher in eine Richtung aus, die durchu = k 0 (n − 1)α, v = 0 (5.4.25)gegeben ist. Setzt man u = k 0 sinθ x in diese Gleichung ein, erhält man θ x =(n − 1)α für kleine θ x . DasLicht bleibt daher in eine Ausbreitungsrichtung konzentriert, wird aber von der Einfallsrichtung um einenkonstanten Winkel abgelenkt, wie wir es mit Hilfe der geometrischen Optik bereits hergeleitet haben.5.4.5 <strong>Beugung</strong> an einer RechteckblendeWir verwenden nun einen Spalt mit endlicher Breite b <strong>und</strong> Höhe h in y-Richtung. Die Kanten des Spaltssollen parallel zur x- <strong>und</strong> y-Richtung sein. Die beiden <strong>Beugung</strong>sintegrale haben damit unabhängige Integrationsgrenzen<strong>und</strong> (5.4.10) kann alsΨ(u,v) =∫ b/2−b/2exp(−iux)dx∫ h/2−h/2exp(−ivy)dy . (5.4.26)geschrieben werden. Hierbei haben wir angenommen, dass die Transmissionsfunktion f (x,y) über diegesamte Blende gleich eins ist. Da wir den Ursprung in das Zentrum der Blende gelegt haben, erhaltenwir eine gerade Funktion, die eine reelle Fourier-Transformierte besitzt. Wir erhaltenc○<strong>Walther</strong>-Meißner-<strong>Institut</strong>
Abschnitt 5.4 PHYSIK III 227(a)zentrales Maximum(b)hbRechteckblendeAbbildung 5.19: (a) Linien verschwindender Intensität im <strong>Beugung</strong>smuster der gezeigten Rechteckblende,(b) berechnete <strong>Beugung</strong>samplitude für eine Rechteckblende mit h = 3b.Ψ(u,v) = bh sin(bu/2)bu/2sin(hv/2)hv/2, (5.4.27)wobei jeder Faktor auf die gleiche Weise abgeleitet wurde wie beim unendlich ausgedehnten Spalt. Das<strong>Beugung</strong>smuster hat Nullstellen an den Orten, an denen ub <strong>und</strong> vh von null verschiedene, ganzzahligeVielfache von 2π sind. Sie liegen also auf Geraden parallel zu den Kanten der Blende <strong>und</strong> sind durch<strong>und</strong>sinθx min = ± n 1λbsinθy min = ± n 2λhfür n 1 = 1,2,3,...für n 2 = 1,2,3,... (5.4.28)gegeben. Das zentrale Maximum wird eingegrenzt durch die Geraden mit n 1 = ±1 <strong>und</strong> n 2 = ±1, dieein Rechteck bilden, dessen Abmessungen umgekehrt proportional zu den Abmessungen der beugendenBlende sind (siehe Abb. 5.19).5.4.6 <strong>Beugung</strong> an einer LochblendeIn vielen Fällen von praktischer Bedeutung treten kreisförmige Blenden auf. Diese Blenden, die z.B. inFernrohren oder Mikroskopen auftreten, führen ebenfalls zu <strong>Beugung</strong>serscheinungen, die, wie wir späternoch sehen werden, für das Auflösungsvermögen dieser Geräte bedeutend sind. Die mathematische Behandlungder <strong>Beugung</strong> an einer kreisförmigen Blende mit Radius R führt uns auf die Besselfunktion.Qualitativ erhält man den vom Spalt her bekannten Intensitätsverlauf, der jetzt allerdings aufgr<strong>und</strong> derrotationssymmerischen Blende auf ein rotationssymmetrisches <strong>Beugung</strong>sbild führt.Zur mathematischen Beschreibung führen wir Polarkoordinaten (ρ,θ) ein, um Punkte auf der Blende<strong>und</strong> im <strong>Beugung</strong>smuster zu beschreiben. Sind (ρ,θ) die Polarkoordinaten für die Blende, so gilt:x = ρ cos θ <strong>und</strong> y = ρ sinθ . (5.4.29)2003