Reurbanisierung der Innenstadt 104den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen z.B. auch ein Investitionsstau im BürobestandVerlagerungsabsichten begünstigen.Vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft besteht ein steigender Bedarf an Arbeitskräftenfür Servicele<strong>ist</strong>ungen rund um das Wohnen, Freizeitdienstle<strong>ist</strong>ungen, Modernisierungen,Neubau, bauliche Anpassungen sowie Entwicklung, Herstellung, Vertrieb von Hilfsmittelndes täglichen Lebens für Ältere und andere Personengruppen. Für Wohnmodelle desbetreuten Wohnens oder Service-Wohnens finden bereits erste Ansätze zur Kooperation z.B.von Wohnungsunternehmen mit sozialen Dienstle<strong>ist</strong>ern, Wohlfahrtsverbänden etc. statt. 89Durch den Fortschritt der Umwelttechnologien und den Bedeutungszuwachs elektronischerMedien bestehen Chancen, Arbeitsprozesse wieder stärker an integrierte Standorte zurückzuholen.Die These der ‚digitalen Desurbanisierung’ (Pawley) <strong>ist</strong> offensichtlich falsch. 90 Dieneue, wissensbasierte Ökonomie eröffnet neue Chancen für die Innenstädte.Insbesondere in Zentren der Städte mit nichtindustrieller Prägung steigen die Beschäftigungsmöglichkeitenin modernen Wirtschaftsbranchen. Die Innenstadt wird dabei sowohl vonden Unternehmen als auch von den Beschäftigten präferiert: Die Stadt funktioniert als Hub-Arbeitsmarkt mit einem entsprechenden Arbeitskräftepool und umgekehrt bietet die Stadt eineVielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten derInformations- und Kommunikationstechnologie sind trotz Internet-Ära nicht in jedem Fall ubiquitär.Nicht kodifizierbares Wissen (‚tacit knowledge’ = gebundenes Wissen / Vorsprungswissen)verlangt nach Kommunikation in bestimmten Räumen. Face-to-face-Kommunikationhat nicht an Bedeutung verloren, im Gegenteil. Die Innenstädte der Großstädte bieten fürdiese Branchen und Lebensstilgruppen, die sog. kreativen Milieus, beste Voraussetzungen.Entwicklungstrends Handwerk und kreative MilieusHandwerkliche und kleingewerbliche Arbeitsplätze finden sich bis auf wenige Ausnahmen(Schuh-, Radreparatur etc.) kaum noch in den zentralen Innenstadtbereichen. Insbesonderein den befragten Großstädten ex<strong>ist</strong>ieren diese eher in den innenstädtischen Randbereichen(Hannover, Dresden, Duisburg, Braunschweig). Sie wurden aufgrund von Lärmemissionenoder Platzbedarf häufig an den Innenstadtrand verlagert. Mittelstädte weisen in diesen Brancheneinen vergleichsweise höheren Bestand in der Innenstadtlage auf.Sogenannte kreative Milieus mit potenziellen Arbeitsangeboten sind in einigen befragtenGroßstädten aufgrund der räumlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen eher am Innenstadtrandoder den Stadtteilzentren vertreten als direkt in der City. Sind die räumlichen undwirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben, können sich aus kleineren „Keimzellen“ innovativerMilieus stabile Standorte mit hoher Beschäftigungswirksamkeit entwickeln. Branchen mitAffinität zu solchen Standorten sind Kunst, Film, Medien (Druck, Funk, Werbung, IT), Design,Musik oder Theater. Diese Prozesse vollziehen sich i.d.R. über einen längeren Zeitraum. InEinzelfällen können sie eine positive Ausstrahlungskraft auf die Innenstadt entfalten und zueinem Imagewandel führen. Die Vielfältigkeit der Angebote und die Attraktivität einer (Innen-)Stadt können so nachhaltig erhöht werden. In Mittelstädten haben diese innovativen Ansätzehäufig aufgrund eines fehlenden Publikums eine geringere Perspektive.8990FFG, Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V., 2006Pesch, 2004 / Läpple, 2004 / Läpple, 2006 / Beyer, 2006Auswertung BMVBS-Online-Publikation Nr. 19/2010
Reurbanisierung der Innenstadt 105Landratsamt, EschwegeFive Boats, Duisburg (u.a. Krankenkasse, Marina)Konzepte und Aktivitäten zur Unterstützung von Arbeitsplätzen in den Innenstädtender Referenzstädte:• Attraktive Rahmenbedingungen für Arbeiten und WohnenDer Trend, die Funktionen Arbeiten und Wohnen räumlich enger und möglichst innenstadtnahzusammenzuführen, setzt sich in den befragten Städten fort. Gründe hierfür liegenin geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten, der Verfügbarkeit elektronischer Medien,der verkehrsgünstigen Erreichbarkeit und in flexibleren Arbeitszeiten. Sowohl Unternehmenals auch Beschäftigte bevorzugen zunehmend innenstädtische Arbeitsplatzstandorte,die u.a. durch ihre Nähe zu Versorgungseinrichtungen, Gastronomie und Kultur attraktivsind. Die Referenzstädte unterstützen nachdrücklich die erforderlichen Rahmenbedingungen,um die Innenstadt als Arbeitsort attraktiv zu erhalten (z.B. Anpassung der Infrastruktur,des ÖPNV-Angebotes, Flächenausweisungen bzw. Nachnutzung von Flächen Einzelhandel,Dienstle<strong>ist</strong>ungen usw.).• Arbeitsplatzschwerpunkt und Konzentration öffentlicher VerwaltungenEinige befragte Städte verlagern im Rahmen von Umstrukturierungen bewusst Standorteder öffentlichen Verwaltungen in die Innenstadt, konzentrieren die Verwaltung nach Aufgabevon mehreren dezentralen Standorten an einem Innenstadtstandort (z.B. Hamm,Schweinfurt) oder planen ein solches Vorgehen mittelfr<strong>ist</strong>ig (z.B. Dresden, Greifswald).• Zunahme an Dienstle<strong>ist</strong>ungenIn den Referenzstädten bestehen die me<strong>ist</strong>en Arbeitsplätze in den Verwaltungen öffentlicherund privater Arbeitgeber. Die befragten Städte können die Nachfrage durch privateDienstle<strong>ist</strong>er z.B. Versicherungen, Firmenvorstände o.ä. durch flexible Flächenausweisungenoder Folgenutzungen von Brachen aktiv unterstützen.Die Zunahme individueller Lebensstilgruppen und berufszentrierter Lebensstile (bisher vorallem in Großstädten) fördert den Bedarf an haushaltsnahen Dienstle<strong>ist</strong>ungen und damiteine Zunahme an Arbeitskräften, die bei der fortschreitenden Alterung der Stadtgesellschaftvon einer höheren Nachfrage ausgehen können. Die befragten Städte begleitendiese Entwicklungen i.d.R. wohlwollend, können diese jedoch nicht planerisch initiieren.Auswertung BMVBS-Online-Publikation Nr. 19/2010