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Sasha Not Today (Davay ne syogodni) Saudade Creatures (Kreatury)<br />
RUS/GER <strong>2015</strong> | 23 min. Sprache: Russisch mit engl.<br />
UT. Regie: Taisia Deeva<br />
UKR 2014 | 19 min. Sprache: Ukrainisch mit engl. UT.<br />
Regie: Christina Sivolap<br />
HUN 2014 | 10 min. Sprache: Ungarisch mit engl. UT.<br />
Regie: Gyöngyi Fazekas<br />
POL <strong>2015</strong> | 10 min. Sprache: Ohne Dialog.<br />
Regie: Tessa Moult-Milewska<br />
Irgendwo in Russland, eine Geschichte, wie sie überall<br />
passieren könnte: Das 10-jährige Mädchen Sasha, das<br />
normalerweise bei der Mutter lebt, wird von ihrem Vater<br />
abgeholt. Die Eltern begrüßen einander nicht und das<br />
Scheidungskind wird wie ein Paket von A nach B gereicht.<br />
Es ist der Geburtstag des Vaters. Schon auf dem<br />
Weg zum idyllischen Picknick mit Freunden und der<br />
neuen Flamme des Vaters ist die Stimmung angespannt.<br />
Im schnellen Motorboot will er der Tochter imponieren.<br />
Die beiden scheinen sich näher zu kommen, ihr fragiles<br />
Verhältnis wird jedoch bald wieder erschüttert und<br />
die Geburtstagsfeier gerät zum Fiasko. Die georgische<br />
Regisseurin Taisia Deeva seziert in Sasha Formen<br />
patriarchaler Maskulinität, unter denen Sasha, deren<br />
Weltbild immer mehr zerstört wird, sehr zu leiden hat.<br />
Ein altes Ehepaar richtet sich schön her. Im Wohnzimmer<br />
der adretten Altbauwohnung legen sich<br />
die beiden in zwei Särge – bereit, gemeinsam aus<br />
dem Leben zu scheiden. Doch das Telefon des Mannes<br />
klingelt. Er überzeugt seine Partnerin, noch ein<br />
letztes Mal mit Freunden Domino zu spielen. Und verspricht<br />
ihr, dass sie schon bald sterben werden. Doch<br />
auch da: Abermals findet der Herr eine Ausrede. Das<br />
Ableben des sympathischen Pärchens wird wieder<br />
und wieder verschoben. Weil es trotz hohen Alters ja<br />
noch viel zu erleben gibt. Die <strong>Film</strong>emacherin Christina<br />
Sivolap wählt einen ungewohnt heiteren Tonfall im<br />
Umgang mit dem oftmals in endloser Tragik verarbeiteten<br />
Thema Sterben. Letzten Endes ist es jedenfalls<br />
gut zu wissen, dass der Tod nicht alles im Leben ist.<br />
Kamilla und Cili sind Schwestern und führen jeweils<br />
ihr eigenes Leben. Saudade zeigt ein Skype-Gespräch<br />
zwischen den beiden. Kamilla räumt gerade das<br />
Elternhaus aus. Und während Cili offenbar keinerlei<br />
Bindung zu den Objekten der Kindheit, wie etwa<br />
einer Schaukel, empfindet, hängt Kamilla emotional<br />
immer noch sehr daran. Sie hat wenig Verständnis für<br />
das Desinteresse ihrer Schwester an der gemeinsamen<br />
Vergangenheit. Skype wird so zum digitalen Ort<br />
von Kamillas „Saudade“. Das portugiesische Wort ist<br />
nur schwer zu übersetzen und steht in etwa für ein<br />
Gefühl des melancholischen Weltschmerzes, für eine<br />
unstillbare Wehmut und Sehnsucht. In seiner türkischen<br />
Variante des „Hüzüns“ wurde es übrigens von<br />
Orhan Pamuk literarisch phänomenal beschrieben.<br />
Seine buckelige Physis erinnert an einen archetypischen<br />
Totengräber aus einem Westernfilm, ihre<br />
Haare sind eine Reminiszenz an Medusa. Liebevoll<br />
füttert er ihre gierigen Schlangen mit einer lebenden<br />
Fliege. In diesem skurril-liebevollen Animationsfilm<br />
lernen wir ein glückliches Liebespaar kennen – bei<br />
dem freilich beide an Monster erinnern. Ein gemeinsamer<br />
Spaziergang in der Stadt offenbart, dass sie<br />
das Gespött der Bevölkerung sind. Hunde bellen sie<br />
an, Kinder lachen sie aus und sie werden mit Steinen<br />
beworfen. Für Außenseiter ist hier offenbar absolut<br />
kein Platz, vor allem nicht für ein Außenseiterpärchen.<br />
Ist Anpassung vielleicht die Lösung? Sie verkleiden<br />
sich, um nicht aufzufallen, doch im Kaschieren<br />
ihrer Identitäten finden sie nur weiteres Unglück.<br />
Somewhere in Russia: 10-year-old Sasha, who is<br />
living with her mother, is picked up by her father. Her<br />
divorced parents ignore each other and the child is<br />
handed over from A to B like a parcel. It is her father's<br />
birthday, and they are on their way to a picnic with friends<br />
and the new love interest of her father, but the<br />
atmosphere is tense. He takes his daughter on a speedboat<br />
ride to impress her. Gradually, the two seem to get<br />
closer to each other, but soon their relationship is shaken<br />
again, and the birthday party turns into a disaster.<br />
In Sasha, director Taisia Deeva dissects the manifestations<br />
of patriarchal masculinity that increasingly trouble<br />
Sasha, whose view of the world is finally shattered.<br />
An elderly married couple decides to dress up nicely<br />
and lay down in two coffins in their living room –<br />
ready to leave this world. But suddenly the husband's<br />
mobile rings. He persuades his wife to play domino<br />
with their friends one last time, and he promises her<br />
that they will die soon. But then again, he finds an<br />
excuse for them not to die yet. Over and over again,<br />
the death of the nice couple is delayed. After all<br />
there is still so much left to experience. Ukrainian<br />
filmmaker Christina Sivolap has found an unusually<br />
humorous way to handle the topic of death, which<br />
is often dealt with in endless tragedy. Ultimately, it<br />
is good to know that dying is not everything in life.<br />
Kamilla and Cili are sisters living separate lives. Saudade<br />
shows a Skype conversation between the two<br />
of them. While Cili seems to feel no attachment to<br />
any objects from their childhood, such as a swing set,<br />
Kamilla is emotionally still much attached to them. She<br />
is quite unsympathetic to her sister's lack of interest in<br />
their joint past. Skype thus becomes a digital place for<br />
Kamilla to live out her “Saudade”. The Portuguese term<br />
is difficult to translate and describes a deep emotional<br />
state of nostalgic or profound melancholic longing for<br />
an absent something or someone that one loves. By<br />
the way, Orhan Pamuk described its Turkish version called<br />
“Hüzün” in a marvellous book.<br />
The hunchbacked man looks like an archetypal<br />
gravedigger of a Western movie, the woman’s hair is<br />
reminiscent of Medusa. He feeds her voracious snakes<br />
lovingly with a living fly. In this bizarre yet affectionate<br />
animated film we meet a happy loving couple –<br />
both of whom, however, seem like monsters to us. On<br />
their walk through the town it becomes obvious that<br />
they are the laughing stock of the people, with dogs<br />
barking at them and children laughing at them. There<br />
is no room here for misfits, especially not for a couple<br />
of them. Could adaptation be the solution? They dress<br />
up in order not to attract attention, but in concealing<br />
their identities, more bad things happen to them.<br />
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