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Katalog LET'S CEE Film Festival 2015

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DOKUMENTARFILM-<br />

WETTBEWERB<br />

Documentary Competition<br />

„Wir nehmen die dokumentarische Kamera als objektiv und körperlos wahr. Wir identifizieren<br />

uns mit ihr und lassen sie für uns sehen... Wenn wir allerdings dazu gebracht werden,<br />

zu vergegenwärtigen, dass jener Blick, den wir für den unsrigen halten, zugleich auch<br />

der des <strong>Film</strong>emachers ist, der tatsächlich Teil der gefilmten Ereignisse ist, dann verstehen<br />

wir, dass der Blick der dokumentarischen Kamera nicht körperlos und objektiv sein kann.<br />

Dieses Wissen über die realen Hintergründe des Gefilmten ermöglicht uns schließlich<br />

auch, Fragen zur Moral zu stellen.“ Dieses Zitat aus dem Buch Recording Reality, desiring<br />

the Real von Elizabeth Cowie verdeutlicht, wie einige <strong>Film</strong>emacher im diesjährigen Dokumentarfilm-Wettbewerb<br />

vorgegangen sind. Es ist interessant zu beobachten, wie sich<br />

<strong>Film</strong>schaffende positionieren, wenn sie sich aus der Ich-Perspektive auf die Suche nach<br />

Antworten für uns alle machen. Sugar Blues aus Tschechien erforscht, inwieweit der Zuckergenuss<br />

unsere Körper beeinflusst und in Naked Island aus Kroatien wirft die <strong>Film</strong>emacherin<br />

einen bestechenden Blick auf ein Familiengeheimnis. Die Regisseurinnen der<br />

<strong>Film</strong>e nehmen eine ebenso faszinierende Erzählperspektive ein, wie Viestur Kairish in The<br />

Invisible City, der gleichermaßen meditativ und politisch ist. Anthill aus Estland reflektiert<br />

das Leben in einem riesigen Parkhaus in Tallinn, stellt das Gesehene aber in einen breiteren<br />

zeitlichen und örtlichen Rahmen. Im ungarischen Cain's Children begleitet der Regisseur<br />

Männer 30 Jahre nachdem sie einen Mord begingen. Die Regisseure begrenzen sich nicht<br />

auf die einfache Übung, Realität zu beschreiben. Vielmehr nützen sie die Stärke der filmischen<br />

Sprache, um sich auf die Suche zu machen, zu enthüllen und relevante Themen<br />

und Aspekte öffentlich zur Diskussion zu stellen. Der serbische Dokumentarfilm Logbook<br />

Serbistan nimmt sich ein heißes Thema vor: Migration, Grenzen und die (un)menschliche<br />

Haltung des Menschen gegenüber seinen Mitmenschen. Der türkische Love Will Change<br />

the Earth… reflektiert einen der größten bürgerlichen Aufstände in der Geschichte<br />

der modernen Türkei und der rumänische Dokumentarfilm Trading Germans nimmt sich<br />

einem der größten Menschenhandel in der Geschichte an. Bemerkens werte Geschichten,<br />

die bereits erfolgreich auf <strong>Festival</strong>s in den USA und in Europa gelaufen sind, wie die<br />

rumänische Dokumentation Chuck Norris vs Communism, und die polnischen <strong>Film</strong>e Call<br />

Me Marianna sowie The Queen of Silence zeigen mit Bewunderung den Mut ihrer Hauptcharaktere,<br />

indem sie auf bestechende, filmisch spannende Weise und ohne aufdringlich<br />

zu sein die Gesellschaft rund um sie kommentieren. Wir präsentieren Ihnen elf starke, bewegende<br />

Dokumentarfilme, die mit Leidenschaft und großem Enthusiasmus gemacht<br />

wurden – was sich in jeder einzelnen Einstellung widerspiegelt; elf persönliche und künstlerisch<br />

anspruchsvolle Reflexionen der Welt, die uns mit ernsten Themen konfrontieren<br />

und an unsere Wachsamkeit appellieren, die uns über uns selbst grübeln lassen und<br />

uns auf unserer immerwährenden Suche nach einer tieferen Wahrheit voranbringen.<br />

Rada Šešić<br />

Kuratorin für den Dokumentarfilm-Wettbewerb<br />

Curator of the Documentary Competition<br />

“The documentary camera’s gaze allows us to ‘see for ourselves’ in an identification with<br />

the camera as objective and disembodied.... But if we are brought to remember that this<br />

is also the filming subject’s look and he or she is a participant in real events unfolding<br />

in historical time, then it becomes understood as embodied and can no longer be an<br />

“objective” gaze when our knowledge of the context of filming gives rise to moral questioning.”<br />

This quote from the book Recording Reality, desiring the Real by Elizabeth Cowie,<br />

clearly emphasises some important filmmaker approaches in this year’s selection of East<br />

and Central European documentaries for our <strong>Festival</strong>. It is interesting to observe how<br />

filmmakers position themselves when they seek in form of Cinema of I or Cinema of Myself<br />

answers for all of us. The Czech film Sugar Blues explores to what extent daily sugar<br />

consumption affects our bodies; and the Croatian Naked Island takes a captivating look at<br />

the filmmaker’s family secret; and in the meditative, yet political Latvian Invisible City – the<br />

filmmakers found intriguing angles as storytellers. The Estonian film Anthill reflects on life<br />

in the largest Soviet blockhouse area of Tallinn, in a broader temporal and spatial context;<br />

while in the Hungarian Cain’s Children, the filmmaker revisits young delinquents thirty years<br />

later, showing how society has failed to help support and reintegrate these ruined adults,<br />

living at the margins of society. The makers of the selected documentaries do not limit<br />

themselves to the simple task of representing and describing reality, but use the strengths<br />

of cinematic language to investigate, reveal and offer relevant issues for public debate. The<br />

Serbian documentary Logbook Serbistan tackles a hot topic of Europe today: migration,<br />

borders and the (in)humane attitude of man towards his fellow man. The Turkish Love Will<br />

Change the Earth... reflects on a turbulent political reality, witnessing one of the largest civic<br />

uprisings in the history of modern Turkey. The Romanian documentary Trading Germans is<br />

based on a true story of one of the largest human trafficking schemes in history, that happened<br />

silently and secretly during the Cold War. Remarkable stories that successfully swept<br />

several festivals in America and Europe: like the second documentary from Romania, Chuck<br />

Norris vs Communism; and the two Polish films Call Me Marianna and The Queen of Silence<br />

that admirably depict the clarity and courage of the main characters, commenting in a<br />

charming, cinematically-exciting and non-intrusive manner on the society around them.<br />

We present you with eleven strong, moving documentaries, with passion and great enthusiasm<br />

emanating from each image – eleven personal and highly artistic reflections on<br />

the world we live in, confronting us with serious issues, calling for our alertness, making<br />

us ponder ourselves and push forward in our everlasting search for the deepest truths.<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Dokumentarfilm-Wettbewerb 73

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