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SPIELFILM-<br />
WETTBEWERB<br />
Feature <strong>Film</strong> Competition<br />
Tomasz Raczek<br />
Kurator für den Spielfilm-Wettbewerb<br />
Curator of the Feature <strong>Film</strong> Competition<br />
FOTO: ADAM HARRY CHARUK<br />
Europa stöhnt unter der Last der aus dem Nahen Osten kommenden Flüchtlingswelle. Wie<br />
werden sich die Neuankömmlinge auf den alten Kontinent auswirken? In welchem Ausmaß<br />
werden sie seine Politik, Wirtschaft oder Mentalität beeinflussen? Werden sie ihn stärken<br />
oder schwächen? Was werden sie in uns wecken? Engel? Oder doch Dämonen? Eine eindeutige<br />
Antwort gibt es wohl auf keine dieser Fragen, schon aus dem Grund nicht, da die<br />
Stimmung generell schwankt und Meinungen sich über Nacht (ins Gegenteil) verkehren<br />
können. Schon ein belangloses Ereignis kann eine Welle von Wut oder Mitgefühl in der<br />
Gesellschaft auslösen. Wir verlieren uns in unseren Emotionen. Wie sollen wir die bei uns<br />
ankommenden Menschen richtig einschätzen können? Sie brauchen dringend Hilfe, und<br />
wir brauchen die auch, nämlich um zu erkennen, was in uns schlecht und was gut ist, was<br />
es wert ist, darauf zu beharren und was wir bei sich nächst bietender Gelegenheit verändern<br />
sollten. Die diesjährigen <strong>Film</strong>e des LET’S <strong>CEE</strong> Spielfilm-Wettbewerbs vermögen es uns<br />
bei diesem mühsamen Prozess zu helfen. Der kroatische <strong>Film</strong> The High Sun oder die aserbaidschanische<br />
Produktion Nabat erinnern nicht nur daran, wie tödlich der Krieg sein kann,<br />
sondern auch daran, wie er die menschliche Psyche zerstört. Die rumänischen Produktionen<br />
Aferim! und Box zeigen, dass selbst in friedlichen Zeiten Rassismus sowie ungünstige<br />
Schicksalsfügungen jemandes Erfolgschancen endgültig vernichten können. Im Kampf um<br />
uns selbst müssen wir manchmal Hindernisse überwinden, wozu uns oft die Kraft zu fehlen<br />
scheint. Dann kommt uns die Aufgabe unlösbar vor, und doch macht dies unsere Bestrebungen<br />
nicht zwecklos. Auch wenn sich die ganze Welt vor unseren Augen kompromittier -<br />
te, so sollten wir dabei bleiben, was wir als Regung des Anstands und manchmal sogar des<br />
Instinkts bezeichnen würden. Daran erinnern uns besonders folgende <strong>Film</strong>e: The Fool aus<br />
Russland, Drawers aus der Türkei, You Carry Me aus Kroatien und No One’s Child aus Serbien.<br />
Zum Schluss eine wichtige Mahnung: Was auch immer mit uns geschehen mag, vergessen<br />
wir nicht zu lächeln und Dinge aus der Distanz zu betrachten; und dass wir letztendlich<br />
nicht imstande sind, sämtliche Lebenskrisen alleine zu bewältigen. Manchmal muss man<br />
sich nun mal einfach mit dem Unabwendbaren oder Unmöglichen abfinden. Es zahlt sich<br />
aber aus, dies mit Würde zu tun, um aus gewissen Situationen Kraft zu schöpfen und nicht<br />
an ihnen zu verzweifeln. Wie das geht, zeigen der polnische <strong>Film</strong> Body, der ungarische Liza,<br />
The Fox-Fairy und der tschechische The Snake Brothers. Unterschiedliche Weltanschauungen<br />
– die gleiche Sorge ums menschliche Dasein. <strong>Film</strong>e aus Mittel- und Osteuropa können<br />
einfach nicht enttäuschen!<br />
Europe groans under the weight of the wave of refugees coming from the Middle East.<br />
What kind of changes will the newcomers bring to the old continent? How much will<br />
they influence politics, the economy and European mentality? Will they weaken our<br />
continent or strengthen it? What will they awaken in us – angels, or demons? There is<br />
probably no clear answer to any of these questions, if only because already unsteady<br />
moods and opinions can swing abruptly overnight. Even the most trivial occurrences<br />
have the power to provoke feelings of anger, or of compassion within society. We lose<br />
ourselves in our emotions. How do we properly prepare to assess the masses of people<br />
arriving? They need help, and we need help too, namely with our self-awareness,<br />
someone to tell us what is bad and what is good about ourselves. What is worth insisting<br />
on and what must we alter at the earliest opportunity? The films running in the Feature<br />
<strong>Film</strong> Competition of this year’s LET’S <strong>CEE</strong> <strong>Film</strong> <strong>Festival</strong> might help us through this difficult<br />
process. The Croatian film The High Sun and the Azerbaijani documentary Nabat not<br />
only remind us of war’s deadly work, but especially of the mental destruction inflicted<br />
on human beings. On the other hand Aferim! and Box from Romania, demonstrate how<br />
racial discrimination combined with bad luck can completely ruin someone’s chances<br />
of success, even in peaceful times. In our personal struggles we must sometimes overcome<br />
obstacles, which seemed beyond our abilities. A task or a problem might seem<br />
unsolvable at first, but that does not make our efforts useless, or leave us without any<br />
possibilities. If the entire world compromised itself before our eyes, we should still maintain<br />
a sense of decency, or human instinct. The Fool from Russia, Drawers from Turkey,<br />
You Carry Me from Croatia and No One’s Child from Serbia are films that remind us of<br />
exactly this. Finally, an important point: Whatever happens to us, we should not forget<br />
to smile, to distance ourselves, and recognise that we cannot in fact cope with all of life’s<br />
crises on our own. Sometimes we have to accept what is irreparable or inevitable. Hence<br />
we should act honorably, draw strength from some situations, and not despair. How to<br />
do that is demonstrated in the Polish film Body, the Hungarian Liza, The Fox-Fairy and<br />
the Czech The Snake Brothers. Different worldviews, with the same concerns about the<br />
human condition. <strong>Film</strong>s from Central and Eastern Europe rarely disappoint.<br />
Spielfilm-Wettbewerb 51