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ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...

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Janine<br />

<strong>Die</strong> 18-jährige Janine hat sich <strong>für</strong> unser Treffen<br />

das Alex am Domshof gewünscht. Sie ist<br />

nicht allein gekommen, als Unterstützung sitzt<br />

ihre Lehrerin mit am Tisch auf der Terrasse.<br />

Obwohl sich schnell herausstellt, dass Janine<br />

die Unterstützung gar nicht braucht, jedenfalls<br />

nicht bei diesem Interview.<br />

Auch Janines Leben hatte einen dramatischen<br />

Wendepunkt. Dessen Ergebnis turnt<br />

fröhlich um den Tisch herum und wird<br />

während des Gesprächs von der Lehrerin<br />

bespaßt: die dreijährige Nathalie. ›Als ich<br />

erfahren habe, dass ich ein Kind bekomme,<br />

habe ich mich erschrocken‹, sagt Janine. Was<br />

sie damals noch nicht wusste: Eigentlich hätte<br />

sie nach Meinung der Ärzte gar keine Kinder<br />

bekommen können, da sie bereits als kleines<br />

Kind Leukämie bekam und eine Chemotherapie<br />

machen musste. ›Ich habe trotzdem eins<br />

bekommen‹, sagt sie stolz lachend. ›Es war<br />

zwar ein blöder Zeitpunkt, aber im Nachhinein<br />

war es glücklich.‹ Und dann legt sie ihr bisheriges<br />

Leben in einen Stoßseufzer offen:<br />

›Ich mag gar nicht dran denken, was ohne<br />

Nathalie aus meinem Leben geworden wäre.‹<br />

Aufgewachsen ist Janine, wie sie selbst<br />

sagt, ›in den Ghettos Bremens‹: Huchting,<br />

Woltmershausen, Gröpelingen, Kattenturm,<br />

Osterholz-Tenever. <strong>Die</strong> dazugehörigen Stichworte<br />

liefert sie gleich mit: Kriminalität und<br />

Drogen. ›Ich habe mich mitreißen lassen.‹<br />

<strong>Die</strong> Eltern sind beide berufstätig und mit ihrer<br />

pubertierenden Tochter überfordert. Mit 13<br />

landet Janine im Heim. Von ihrem Leistungsniveau<br />

sei sie eigentlich immer Realschülerin<br />

gewesen, sagt sie, aber <strong>Schule</strong> war Nebensache<br />

und so wird sie in die Hauptschule<br />

zurückgesetzt. Zu dem Zeitpunkt steckt nicht<br />

mehr viel Hoffnung in dem jungen Leben.<br />

Dann kommt Nathalie. Der Teenager reißt<br />

sich zusammen und schafft in den ersten<br />

Schwangerschaftsmonaten sogar noch den<br />

Hauptschulabschluss. Doch im Heim bekommt<br />

sie solche Probleme, dass sie <strong>für</strong> ein paar<br />

Monate wieder zu ihren Eltern geht. In einem<br />

Haus <strong>für</strong> minderjährige Mütter, dem Casa<br />

Luna, findet sie schließlich Ruhe, Unterstützung<br />

und die Zeit, sich um ihr Kind zu kümmern.<br />

Aber es ist zu viel passiert und ihre<br />

Situation empfindet sie als Sackgasse. Janine<br />

wird depressiv, isst und wiegt immer weniger.<br />

Von einer Mutter-Kind-Kur kommt sie mit<br />

einem Entschluss zurück.<br />

Oft hatte sie gehört, dass sie nicht auf<br />

eigenen Beinen stehen könne, doch dann<br />

mischt sich der Vormund ihrer Tochter ein.<br />

Janine gibt dessen Worte wieder: ›Ich vertraue<br />

der jungen Frau, lassen sie sie in eine eigene<br />

Wohnung ziehen, wenn es nicht funktioniert,<br />

kann man sie immer noch wieder in ein Heim<br />

stecken.‹ Seit einem halben Jahr lebt Janine<br />

nun in einer eigenen Wohnung, und wenn sie<br />

darüber spricht, spürt man die große Kraft<br />

dieser zierlichen jungen Frau. ›Nun kann ich<br />

zeigen, dass ich das kann, und nicht in einem<br />

Heim leben muss.‹ Zweimal<br />

in der Woche kommt zwar<br />

noch eine Betreuerin der reisenden<br />

Werkschule, die sie ›Für meine Tochter ist mir<br />

selbst <strong>für</strong> sich organisiert das so wichtig, dass ich<br />

hat, aber das Fazit ist eindeu- einen Ausbildungsplatz und<br />

tig: ›Seitdem geht es mir gut, eine Arbeit bekomme.‹<br />

weil ich alles allein schaffe,<br />

ohne Einschränkungen.‹<br />

Jetzt findet sie auch die<br />

Kraft, sich um ihre berufliche Zukunft zu<br />

kümmern. ›Für meine Tochter ist mir das so<br />

wichtig, dass ich einen Ausbildungsplatz<br />

und eine Arbeit bekomme.‹ Im Projekt BeLeM<br />

des Zentrums <strong>für</strong> <strong>Schule</strong> und Beruf macht<br />

sie nun ihren erweiterten Hautschulabschluss,<br />

während ihre Tochter ein paar Räume weiter<br />

betreut wird. Früher wollte sie mal Krankenschwester<br />

auf der Onkologie werden, aber<br />

während eines von BeLeM organisierten<br />

Praktikums in der Werkstatt eines großen Verkehrsbetriebes<br />

hat sie ihre wahre Bestimmung<br />

gefunden. ›Ich möchte Industriemechatronikerin<br />

werden, da kann ich Autos und Busse<br />

von innen auseinanderpflücken und wieder<br />

zusammenbauen.‹ Dann öffnet sich ihr Gesicht<br />

zu einem ganz breiten Lachen: ›Das hat mir<br />

so einen Spaß gebracht.‹ <strong>Die</strong> Firma habe ihr<br />

sogar schon einen Ausbildungsplatz in Aussicht<br />

gestellt, dann aber wieder einen Rückzieher<br />

gemacht. ›Das hat mich ganz schön<br />

runtergezogen.‹<br />

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