ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...
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Sie stehen beispielhaft <strong>für</strong> einen fundamentalen,<br />
neoliberalen Paradigmenwechsel in der<br />
Sozialpolitik 12 , den die internationale Sozialstaatsforschung<br />
in fast allen industrie- beziehungsweise<br />
dienstleistungskapitalistischen<br />
Gesellschaften beobachtet und der in Deutschland<br />
im Konzept des aktivierenden Sozialstaats<br />
seine Zuspitzung findet.<br />
<strong>Die</strong>ser aktivierende Sozialstaat und seine<br />
Parole vom ›Fördern und Fordern‹ ist im Kern<br />
nichts anderes als ein gigantisches Programm<br />
der Verhaltensmodifikation, der Förderung des<br />
›unternehmerischen Selbst‹ 13 , des flexiblen<br />
Menschen, der sich auch in den Stürmen der<br />
globalen Ökonomie behauptet, selbst in den<br />
Randzonen der Arbeitsgesellschaft. <strong>Die</strong>se<br />
These zu veranschaulichen und zu plausibilisieren<br />
ist Gegenstand des folgenden Beitrags.<br />
Nach einführenden Bemerkungen zur (pädagogischen)<br />
Philosophie des aktivierenden Sozialstaats<br />
wird am Beispiel der Hartz-Gesetze im<br />
Allgemeinen und der Sonderrolle der <strong>Jugendliche</strong>n<br />
im Besonderen herausgearbeitet, welches<br />
pädagogische Programm der aktivierende<br />
Sozialstaat insbesondere im Hinblick auf<br />
diejenigen entfaltet, die den steigenden Anforderungen<br />
der Ökonomie nicht gewachsen<br />
sind. <strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze findet<br />
dabei ihren prototypischen Ausdruck in der<br />
Figur des Fallmanagers, der mit ›Zuckerbrot<br />
und Peitsche‹ den hürdenreichen Weg in die<br />
arbeitsmarktabhängige Selbstständigkeit der<br />
Betroffenen managen soll. 14<br />
3.2 Aktivierender Sozialstaat<br />
und Hartz-Gesetze<br />
›Ich werd Hartz IV‹, so die Antwort eines türkischen<br />
Hauptschülers der im Sommer 2006<br />
kurzzeitig zu trauriger Popularität gelangten<br />
Berliner Rütli-<strong>Schule</strong> auf die Frage eines Fernsehreporters,<br />
wie er sich seine Zukunft vorstelle<br />
– und jeder weiß, was gemeint ist. Ob<br />
›Hartz IV – <strong>Die</strong> Kneipe‹ oder ›Hartz IV – Das<br />
Musical‹ (um nur einige Beispiele zu nennen),<br />
wohl kaum eine sozialpolitische Innovation der<br />
letzten dreißig Jahre hat so nachdrückliche<br />
und eindringliche Spuren im Alltagsbewusstsein<br />
der Menschen hinterlassen, wie die Reformen<br />
der Arbeits- und Sozialverwaltung der<br />
letzten Jahre, die sogenannten Hartz-Refor-<br />
men. Insbesondere die Einführung der Grundsicherung<br />
<strong>für</strong> Arbeitslose im Rahmen des<br />
SGB II – alltagssprachlich als Hartz IV bezeichnet<br />
– ist zum vielschichtigen Symbol geworden:<br />
Hartz IV steht da<strong>für</strong>, dass <strong>für</strong> eine wachsende<br />
Gruppe der Bevölkerung eine planbare,<br />
sichere und ausreichend alimentierte<br />
Perspektive auf dem Arbeitsmarkt mehr und<br />
12 Stephan Lessenich (2008, a.a.O., 13 f.) hat sich vehement<br />
gegen eine Charakterisierung des Reformprozesses als neoliberal<br />
gewandt, da sie entgegen der neoliberalen Ideologie nicht zu<br />
weniger Staatstätigkeit, sondern lediglich zu einer Verlagerung<br />
führt. Lessenich plädiert vielmehr da<strong>für</strong>, den Prozess als neosozial<br />
zu bezeichnen, da er im Wesentlichen auf eine Neudefinition<br />
des Sozialen zielt. So berechtigt der Einwand sein mag, so<br />
übersieht er eventuell, dass der Abbau von Staatstätigkeit<br />
zwar zum ideologischen Gebäude des Neoliberalismus gehört,<br />
er aber in der Realität immer Verlagerung (zum Beispiel vom<br />
Sozial- in das Justiz- und Strafrechtssystem wie in den USA)<br />
praktiziert, wie Naomi Klein dies in ihrer internationalen Studie<br />
eindrucksvoll nachgezeichnet hat (vgl. Klein, N. (2007): <strong>Die</strong><br />
Schockstrategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus).<br />
13 Vgl. Bröckling, U. (2007): Das unternehmerische Selbst.<br />
Soziologie einer Subjektivierungsform.<br />
14 Vgl. dazu ausführlich Galuske, M. (2007): Case Management<br />
und aktivierender Sozialstaat. Kritische Anmerkungen zu einer<br />
Erfolgsgeschichte; in: Soziale Arbeit 11+12/2007, S. 409–417.<br />
Wenn im Folgenden die Pädagogik des aktivierenden Sozialstaats<br />
am Beispiel der Hartz-Gesetze und ihres Umgangs mit<br />
arbeitslosen <strong>Jugendliche</strong>n rekonstruiert wird, so geschieht<br />
dies vor allem im Hinblick auf die Strukturen und Philosophien<br />
der (pädagogischen) Programme und Angebote, weniger aus<br />
der Perspektive ihrer (Aus-)Wirkungen auf die Betroffenen, weil<br />
in diesem Punkt verlässliche Studien bislang fehlen.<br />
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