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ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...

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38<br />

Ausbildung<br />

2.6 <strong>Die</strong> Hartz-Reform und der<br />

Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit<br />

Mit den Hartz-Gesetzen haben sich die Ziele<br />

der bundesdeutschen Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsbildungspolitik grundsätzlich verändert.<br />

Das zeigen schon die Begrifflichkeiten, wenn<br />

statt wie zuvor von einer ›aktiven‹ nun von der<br />

›aktivierenden‹ Arbeitsmarktpolitik die Rede<br />

ist. Hier hat der Akteur klar vom handelnden<br />

Staat zum behandelten Individuum gewechselt.<br />

Welche Folgen hat dieser Wandel speziell<br />

<strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> und Erwachsene?<br />

<strong>Die</strong> aktivierende Arbeitsmarktpolitik lässt<br />

sich in drei zentrale Zieldimensionen unterteilen:<br />

36<br />

›Verfügbarkeit‹, das heißt Arbeitsbereitschaft.<br />

Sie soll entweder über fordernde<br />

oder sanktionierende Instrumente hergestellt<br />

werden oder aber über fördernde<br />

Elemente, sofern eine individuelle Arbeitsbereitschaft<br />

unterstellt wird, aber durch<br />

spezielle Hemmnisse eingeschränkt wird.<br />

›Eigenverantwortung‹, das heißt das Prinzip<br />

der Selbstvermarktung der (arbeitslosen)<br />

Arbeitskraft. Auch hier sind fordernde,<br />

sanktionierende sowie fördernde Elemente<br />

im Falle individueller Defizite und Barrieren<br />

vorgesehen.<br />

›Beschäftigungsfähigkeit‹, das heißt das<br />

permanent anzupassende individuelle Vermögen,<br />

den sich wandelnden Anforderungen<br />

des Arbeitsmarktes nachzukommen.<br />

An den Zieldimensionen der aktivierenden<br />

Arbeitsmarktpolitik lassen sich die zentralen<br />

Unterschiede zur ›alten‹ aktiven Arbeitsmarktpolitik,<br />

wie sie <strong>für</strong> den klassischen Sozialstaat<br />

charakteristisch war, identifizieren. <strong>Die</strong> aktive<br />

Arbeitsmarktpolitik beruhte auf dem Grundwert<br />

der Solidarität mit den Zielen Chancengleichheit<br />

und Durchsetzung eines ›Rechts auf<br />

Arbeit‹. Dagegen fokussiert die aktivierende<br />

Arbeitsmarktpolitik die Verwirklichung der<br />

unterschiedlichen individuellen Chancen. Sie<br />

wandelt damit das ›Recht auf Arbeit‹ um in<br />

ein ›Recht auf Hilfe zur Arbeit‹. Im Falle einer<br />

unterstellten fehlenden Mitwirkung der Adressaten<br />

entwickelt sich aus dem ›Recht auf<br />

Hilfe zur Arbeit‹ die ›Pflicht zur Aktivierung‹. 37<br />

Das freilich unterstellt und behauptet, es stünden<br />

jederzeit Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebote<br />

zur Verfügung. Dass dies nicht der<br />

Fall ist, hat der vorangegangene Abschnitt<br />

gezeigt. <strong>Die</strong> Wirkung von Arbeitsmarktpolitik<br />

ändert sich mit dieser neuen Setzung fundamental:<br />

Während die aktive zu einem Ausgleich<br />

von Angebot und Nachfrage auf dem<br />

Arbeitsmarkt beitragen will, zielt die aktivierende<br />

Arbeitsmarktpolitik auf eine Verhaltensänderung<br />

der Arbeits- und Ausbildungsplatzsuchenden<br />

ab. 38 Dass sich daraus auch<br />

Konsequenzen <strong>für</strong> die Bereitstellung arbeitsmarktbezogener<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen ergeben,<br />

versteht sich damit von selbst. 39<br />

Auch der Übergang von der <strong>Schule</strong> ins<br />

Arbeitsleben ist von der arbeitsmarktpolitischen<br />

Reform betroffen. <strong>Die</strong> Altersgruppe der<br />

15- bis 25-Jährigen ist eine der Zielgruppen<br />

der neuen Politik. Laut Gesetz müssen sie<br />

unverzüglich nach Antragstellung in Arbeit,<br />

Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit (Ein-<br />

Euro-Job) vermittelt werden. Findet sich keine<br />

Ausbildung, so sollen die vermittelte Arbeit<br />

oder die Arbeitsgelegenheit zur Verbesserung<br />

der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

beitragen (§ 3 SGB II). Der Leistungsträger<br />

(BAgIS/Bremer Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Integration<br />

und Soziales beziehungsweise ARGE<br />

Job-Center Bremerhaven) sieht sich also nicht<br />

verpflichtet, eine Ausbildungsförderung zu<br />

betreiben oder eine solche aus eigenen Mitteln<br />

zu finanzieren. Der bisher gültige gesellschaftliche<br />

Konsens einer ›Ausbildung <strong>für</strong> alle‹<br />

ist also in der Praxis aufgehoben.<br />

36 Vgl. Marquardsen, Kai (2007): Was ist ›Aktivierung‹ in der<br />

Arbeitsmarktpolitik?; in: WSI-Mitteilungen 5/2007, S. 259–265.<br />

37 Vgl. Knuth, Matthias/Schweer, Oliver/Siemes, Sabine (2006):<br />

Drei Menüs und kein Rezept? <strong>Die</strong>nstleistungen am Arbeitsmarkt<br />

in Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark, S. 489;<br />

in: Siller, Peter/Dückert, Thea/Baumann, Arne (Hrsg.): Arbeit<br />

der Zukunft. Neue Wege einer gerechten und emanzipativen<br />

Arbeitspolitik, S. 419–509.<br />

38 Ausführlich dazu der Beitrag von Michael Galuske in diesem<br />

Bericht.<br />

39 Vgl. Bartelheimer, Peter (2005): Moderne <strong>Die</strong>nstleistungen und<br />

Erwerbs<strong>für</strong>sorge, Fallbearbeitung nach SGB II als Gegenstand<br />

soziologischer Forschung; in: SOFI-Mitteilungen 33/2005,<br />

S. 55–79.

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