ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...
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62<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
Darüber hinaus ist das standardisierte Verfahren<br />
des Profilings und der Zuordnung zu Kundengruppen<br />
nicht geeignet, die individuellen<br />
Problemlagen der Betroffenen angemessen<br />
zu berücksichtigen, wie Andreas Polutta zu<br />
Recht hervorhebt. 58 Angesichts der skizzierten<br />
Strukturen ›ist zu erwarten, dass keineswegs<br />
eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen<br />
der jugendlichen Adressaten möglich wird,<br />
sondern eher distanziertes Steuern, Überprüfung<br />
von Motivationen und Einbindung in Normierungs-<br />
und Sanktionsaufgaben, was ein<br />
Einlassen auf den Einzelfall tendenziell verunmöglicht.<br />
In diesem Sinne laufen die von den<br />
Agenturen eingesetzten Dritten Gefahr –<br />
selbst zu Agenten … im sozialpädagogischen<br />
Gewand zu werden‹ 59 .<br />
4. Das System des Förderns und Forderns<br />
ist bei <strong>Jugendliche</strong>n und Heranwachsenden<br />
erkennbar darauf angelegt, Betroffene durch<br />
verstärkten materiellen Druck in Bewegung zu<br />
setzen. Der ›Zwang zum Überleben‹ soll flexibel<br />
und gefügig machen 60 , aber was ist mit<br />
jenen, die ›aussanktioniert‹ werden oder die<br />
sich die Betreuung erst gar nicht zumuten?<br />
Bislang gibt es keine gesicherten Zahlen<br />
darüber, wie viele <strong>Jugendliche</strong> allein durch die<br />
autoritäre Struktur der Betreuung ›vertrieben‹<br />
werden. Münch 61 berichtet <strong>für</strong> das Modell<br />
der JobBörse Junges Köln, die die Prinzipien<br />
der Hartz-Gesetze schon 1999 im Bereich der<br />
Sozialhilfe <strong>für</strong> <strong>Jugendliche</strong> und Heranwachsende<br />
erprobte und praktizierte, dass nach Einführung<br />
der neuen Regel ein Drittel der hilfesuchenden<br />
<strong>Jugendliche</strong>n und jungen Erwachsenen<br />
schlichtweg verschwanden. Eine Analyse<br />
der Übergangsquoten des Kölner Modells<br />
zeigt, ›dass die Quoten im Vergleich zu den<br />
klassischen Instrumenten der Arbeitsförderung<br />
… hinsichtlich der gleichen Zielgruppen keine<br />
neue Qualität aufweisen. Eine neue Qualität<br />
kann aber in der Abschreckungsquote<br />
gesehen werden‹ 62 . Was passiert mit diesen<br />
<strong>Jugendliche</strong>n? Welche Lebenswege sind hier<br />
vorprogrammiert, welche möglichen Hilfen<br />
werden vorenthalten?<br />
5. Während die vorherigen Punkte in erster<br />
Linie die Konsequenzen der neuen Pädagogik<br />
der Hartz-Gesetze <strong>für</strong> die Klienten und das<br />
Betreuungsverhältnis in den Blick nehmen,<br />
konzentriert sich der letzte hier anzuführende<br />
Punkt auf die professionellen Ansprechpartner<br />
der Arbeitsagenturen und Arbeitsgemeinschaften,<br />
die im Prozess der Modernisierung der<br />
Arbeitsverwaltung scheinbar eine Aufwertung<br />
erfahren durch geringere Fallzahlen und die<br />
Implementierung des Fallmanagements als<br />
professioneller Methode. Zur Unterstützung<br />
der Betroffenen sieht § 14 SGB II einen persönlichen<br />
Ansprechpartner vor, der die<br />
Arbeitslosen auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt<br />
begleiten soll. Methodisch soll der<br />
Hilfeprozess als ›beschäftigungsorientiertes<br />
Fallmanagement‹ gestaltet werden, <strong>für</strong> dessen<br />
Fachkonzept unter anderem Claus Reis,<br />
Vorstandsmitglied der DGCC (Deutsche Gesellschaft<br />
<strong>für</strong> Care und Case Management), als<br />
Mitglied der Arbeitsgruppe verantwortlich<br />
zeichnet und deren Ausbildungsgang von der<br />
DGCC zertifiziert ist.<br />
58 Vgl. ebenda, S. 28.<br />
59 Ebenda, S. 28.<br />
60 Vgl. Spindler, H. (2003): Aktivierende Ansätze in der Sozialhilfe,<br />
S. 236; in: Dahme, H.-J. u.a. (Hrsg.): Soziale Arbeit <strong>für</strong> den<br />
aktivierenden Staat.<br />
61 Vgl. Münch, T. (2001): Der aktivierte Hilfeempfänger – Erfahrungen<br />
und kritische Reflexionen aus der Sicht der Arbeitslosenarbeit;<br />
in: Boeßenecker, K.-H./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.):<br />
Verwaltungsreform von unten? Lokaler Sozialstaat im Umbruch<br />
aus verschiedenen Perspektiven.<br />
62 Ebenda, S. 196. Vgl. auch Scholz, J.: 5 Jahre ›Fördern und<br />
Fordern‹ in der Stadt Köln. Vorbild <strong>für</strong> die Umsetzung von ›Hartz<br />
IV‹; in: neue Praxis 4/2004, S. 396– 402.