ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...
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42<br />
Ausbildung<br />
Recht auf einen Hauptschulabschluss?<br />
Obgleich also die Frage nach fehlender Ausbildungsfähigkeit<br />
zuallererst eine interessengeleitete<br />
zu sein scheint, ist nicht von der Hand<br />
zu weisen, dass das allgemeinbildende Schulsystem<br />
Reformbedarf aufweist; zu viele – in<br />
Bremen wie dargestellt 9 Prozent – verlassen<br />
die <strong>Schule</strong>n ohne Schulabschluss. Fast 80<br />
Prozent münden nicht in Ausbildung, sondern<br />
ins Übergangssystem ein.<br />
Es werden deutliche Anstrengungen unternommen,<br />
diesen Missstand zu bereinigen.<br />
Im vergangenen Jahr hat die Kultusministerkonferenz<br />
einen Handlungsrahmen vereinbart,<br />
dessen Ziel die Reduzierung der Zahl der<br />
<strong>Jugendliche</strong>n ohne Schulabschluss ist. Bundesweit<br />
wird über verstärkte Fördermaßnahmen<br />
diskutiert. So sieht der aktuelle Gesetzentwurf<br />
der Bundesregierung zur Neuordnung<br />
der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vor,<br />
dass unter bestimmten Zugangsvoraussetzungen<br />
das Nachholen des Hauptschulabschlusses<br />
auch aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung<br />
finanziert werden kann. 52<br />
Was die damit verbundenen Perspektiven<br />
der betroffenen <strong>Jugendliche</strong>n angeht, so muss<br />
nach der bereits dargelegten Analyse der<br />
Übergangsprozesse nüchtern konstatiert<br />
werden, dass angesichts der modernen<br />
Selektionsprinzipien des Berufsbildungs- und<br />
Arbeitssystems mit dem Nachholen des<br />
Hauptschulabschlusses noch nicht allzu viel<br />
gewonnen ist. Junge Menschen ohne Schulabschluss<br />
sind nahezu chancenlos auf dem<br />
Ausbildungsmarkt (nur ein Fünftel mündet in<br />
Ausbildung), aber auch mit dem modernen<br />
Restschulabschluss gelten sie auf dem Markt<br />
längst nicht als ausbildungsreif. Nicht einmal<br />
der Hälfte (41 Prozent) der Hauptschulabsolventen<br />
und -absolventinnen gelingt der Sprung<br />
ins duale System, über die Hälfte (51 Prozent)<br />
landet im Übergangssystem. 53<br />
Schaut man sich die Entwicklungsverläufe<br />
von Hauptschulabsolventen und -absolventinnen<br />
zweieinhalb Jahre nach <strong>Schule</strong>nde genauer<br />
an, stechen folgende Ergebnisse ins Auge:<br />
Von denjenigen, die sechs Monate nach <strong>Schule</strong>nde<br />
eine betriebliche Ausbildung begonnen<br />
haben (28 Prozent), üben 90 Prozent diese<br />
immer noch aus, drei Prozent verbleiben in<br />
nichtbetrieblicher Berufsausbildung oder im<br />
Übergangssystem, sieben Prozent sind nicht<br />
in Ausbildung. <strong>Die</strong> Abbrecherquote ist also<br />
äußerst gering.<br />
Auch zwei Drittel derjenigen, die eine nichtbetriebliche<br />
Berufsausbildung begonnen haben<br />
(das waren 16 Prozent der Hauptschulabsolventinnen<br />
und -absolventen), befinden sich<br />
nach 30 Monaten weiterhin dort, jeweils drei<br />
Prozent sind ins duale System beziehungsweise<br />
Übergangssystem gewechselt; 27 Prozent<br />
sind nicht mehr in Ausbildung. <strong>Die</strong> Verläufe<br />
sind also auch in diesem Segment relativ<br />
stabil, obgleich die Abbrecherquote deutlich<br />
über der in betrieblicher Ausbildung liegt.<br />
Knapp der Hälfte der <strong>Jugendliche</strong>n, die sich<br />
sechs Monate nach Schulabschluss im Übergangssystem<br />
befindet (38 Prozent), gelingt<br />
es, in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren<br />
eine betriebliche oder nichtbetriebliche Ausbildung<br />
zu beginnen, ein knappes Drittel verharrt<br />
immer noch im Übergangssystem und ein<br />
Fünftel befindet sich nicht mehr im Ausbildungssystem.<br />
<strong>Jugendliche</strong>n, die sechs Monate nach <strong>Schule</strong>nde<br />
nicht im Berufsbildungssystem untergekommen<br />
sind – das trifft immerhin auf 19<br />
Prozent aller <strong>Jugendliche</strong>n mit maximal Hauptschulabschluss<br />
zu – gelingt nur selten (33<br />
Prozent) der Sprung in betriebliche oder nichtbetriebliche<br />
Ausbildung. 15 Prozent sind<br />
30 Monate später im Übergangssystem. Über<br />
die Hälfte aber bleibt weiter ohne Platz im<br />
Berufsbildungssystem und damit ohne Berufsabschluss.<br />
54<br />
52 Grundsätzlich ist es natürlich begrüßenswert, das Bildungsniveau<br />
generell zu erhöhen, es ist allerdings nicht nachvollziehbar,<br />
warum dies aus dem Beitragsaufkommen der<br />
Arbeitnehmer/innen und nicht aus Steuermitteln finanziert<br />
werden soll. <strong>Die</strong> Sozialversicherung droht an dieser Stelle in die<br />
Verantwortung <strong>für</strong> das Versagen des steuerfinanzierten Schulsystems<br />
genommen zu werden. Vgl. Rosenthal, Peer/Koch,<br />
Christiane (2008): Stellungnahme der Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen zum Referentenentwurf des Bundesministeriums <strong>für</strong><br />
Arbeit und Soziales (BMAS) ›Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen<br />
Instrumente‹, S. 5 f.<br />
53 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): a.a.O.,<br />
S. 158.<br />
54 Vgl. ebenda, S. 163 ff.