09.12.2012 Aufrufe

ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...

ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...

ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

40<br />

Ausbildung<br />

die <strong>für</strong> Ausbildungsberufe auf den unteren<br />

beruflichen Niveauebenen wichtig sind. Darüber<br />

hinaus können unter ›ausbildungsreif‹<br />

schlichtweg – fast tautologisch – nur diejenigen<br />

Anforderungen eingeordnet werden, die<br />

schon zu Beginn der Berufsausbildung vorhanden<br />

sein müssen und bei Schulabgängern<br />

und Schulabgängerinnen auch vorausgesetzt<br />

werden können. 43<br />

Theoretisch ist der Begriff also äußerst<br />

unergiebig. Aber auch praktisch ist er wenig<br />

zielführend, denn das Anforderungsniveau des<br />

Ausbildungssystems selbst kann hier, kurzfristig<br />

betrachtet, kaum der Maßstab sein, da<br />

ein Schulsystem nur auf lange Sicht etwaig<br />

veränderten Ansprüchen der Wirtschaftsseite<br />

genügen könnte. In einer Befragung des<br />

Bundesinstituts <strong>für</strong> Berufsbildung (BIBB) unter<br />

Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen<br />

wurde versucht,<br />

sich dem Begriff der Ausbildungsreife<br />

pragmatisch zu nähern. Ergebnis: Zur Ausbildungsreife<br />

im engeren Sinne zählen allgemeine<br />

Arbeits-, Leistungs- und Sozialtugenden wie<br />

Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Leistungsbereitschaft,<br />

Konzentrationsfähigkeit und<br />

Durchhaltevermögen. Schulwissen, mit<br />

Ausnahme der Kulturtechniken, zählen <strong>für</strong><br />

die meisten Experten/innen nicht dazu. 44<br />

Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck<br />

auf, dass die Debatte um fehlende Ausbildungsreife<br />

bei <strong>Jugendliche</strong>n in der Öffentlichkeit<br />

verstärkt interessenpolitisch geführt<br />

wird und rationalen betrieblichen Anforderungslogiken<br />

folgt. Interessenpolitisch, indem<br />

mit der Debatte und der Schuldverschiebung<br />

von der Unterversorgung mit Ausbildungsplätzen<br />

abzulenken versucht wird. Rational<br />

betrieblich vor allem deshalb, weil die Ausbildungsbetriebe<br />

bei ihrer Bewerber/innenauswahl<br />

möglichst wenig Risiken eingehen wollen<br />

45 und ihre betriebsspezifischen Anforderungen<br />

an fachliche und Schlüsselqualifikationen<br />

als Maßstab <strong>für</strong> ›Ausbildungsreife‹ setzen und<br />

damit weit über das grundlegende Verständnis<br />

von Ausbildungsfähigkeit hinausgehen. Anders<br />

gesagt: Betriebliche Einstellungsverfahren<br />

sind keinesfalls darauf ausgerichtet, eine<br />

Mindesteignung zu überprüfen, sondern zielen<br />

auf Bestenauswahl <strong>für</strong> den Betrieb ab. 46<br />

<strong>Die</strong>ser Prozess kann sich bei Bewerber/innenüberhang<br />

noch verstärken, da Unternehmen,<br />

wenn sie unter vielen wählen können,<br />

ihre Ansprüche an die geforderten Fähigkeiten<br />

weiter steigern und neue Maßstäbe etablieren.<br />

Eine solche Entwicklung schränkt die berufliche<br />

Perspektive derjenigen <strong>Jugendliche</strong>n<br />

weiter ein, die wegen ihrer nicht mitgewachsenen<br />

Fähigkeiten ans Ende der Bewerber/innenschlange<br />

verwiesen werden. 47<br />

Es bleibt festzuhalten: Sicherlich müssen<br />

Bewerber/innen heute Wissen und Fähigkeiten<br />

mitbringen, die sie früher erst während der<br />

Ausbildung erworben haben, sicherlich sind<br />

auch eklatante Bildungsdefizite bei etlichen<br />

<strong>Jugendliche</strong>n nicht von der Hand zu weisen.<br />

Wer aber im aktuellen Perspektivnotstand<br />

von fehlender Ausbildungsreife spricht (im<br />

schlimmsten Fall, um sich damit der eigenen<br />

Verantwortung zu entziehen), vergisst, dass<br />

eben diese <strong>Jugendliche</strong>n in dieser Gesellschaft<br />

aufgewachsen und damit deren eigenes<br />

Produkt sind. <strong>Die</strong> wachsende Schar derer,<br />

die den Elitebedürfnissen der Unternehmen<br />

nicht gewachsen ist, kann damit nicht gleichzeitig<br />

ausbildungslos in Arbeitslosenkarrieren<br />

verschickt werden.<br />

43 Vgl. Ehrenthal, Bettina/Eberhard, Verena/Ulrich, Joachim-Gerd<br />

(2005): Ausbildungsreife – auch unter den Fachleuten ein heißes<br />

Eisen, Ergebnisse des BIBB-Expertenmonitors, S. 2, http://<br />

deposit.ddb.de/ep/netpub/49/87/72/977728749/_data_stat/e<br />

k151231hu.pdf; Müller-Kohlenberg/Schober, Karen/Hilke, Reinhard<br />

(2005): Ausbildungsreife – Numerus clausus <strong>für</strong> Azubis?<br />

Ein Diskussionsbeitrag zur Klärung von Sachverhalten und Begriffen,<br />

S. 20; in: BWP 3/2005, S. 19–23.<br />

44 Vgl. Ehrenthal, Bettina/Eberhard, Verena/Ulrich, Joachim-Gerd<br />

(2005): a.a.O., S. 3.<br />

45 Vgl. Müller-Kohlenberg/Schober, Karen/Hilke, Reinhard (2005):<br />

a.a.O., S. 19.<br />

46 Dass das Verfahren unternehmensseitig auch anders aussehen<br />

kann, zeigt sich historisch: Vor den Zeiten der Lean-Ausbildung<br />

bis etwa Ende der 1980er Jahre betrachteten ausbildende<br />

Betriebe es als ihre eigene Aufgabe, ihre <strong>Jugendliche</strong>n, auch<br />

die schwächeren, mittels betrieblicher Unterstützung bis hin zur<br />

persönlichen Nachhilfe durch den Ausbildungsmeister zu einem<br />

erfolgreichen Abschluss zu bringen.<br />

47 Vgl. Rebmann, Karin/Tredop, <strong>Die</strong>tmar (2006): Fehlende<br />

›Ausbildungsreife‹, Hemmnis <strong>für</strong> den Übergang von der <strong>Schule</strong> in<br />

das Berufsleben?, S. 94; in: Spies, Anke/Tredop, <strong>Die</strong>tmar<br />

(Hrsg.): a.a.O., S. 86–100.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!