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Christiane Koch, Peer Rosenthal ❘ Arbeitnehmerkammer Bremen 2 Ausbildung – der Markt lässt viele Wünsche offen 2.1 Von der Schule in den Beruf: viele Wege – alle zum Ziel? Ausbildung in einer Marktwirtschaft hat für die beteiligten Akteure zwei Funktionen – die durchaus nicht deckungsgleich sind: a) Sie versorgt die private Wettbewerbswirtschaft ebenso wie staatliche Einrichtungen mit aktueller Qualifikation und gewährleistet damit effektives Wirtschaften und Verwalten in der globalisierten Wirtschaft. b) Sie versorgt die heranwachsenden Individuen dieser Gesellschaft mit Qualifikation, mit deren Hilfe sich diese im Beschäftigungssystem platzieren sollen. Die Versorgung beider Seiten – der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer/innen – mit der aktuell notwendigen (beruflichen) Bildung wird auf dem Ausbildungsmarkt abgewickelt, das heißt: Angebot und Nachfrage an Qualifikation treffen aufeinander, beäugen sich sozusagen wechselseitig, wobei je nach Konjunktur und demografischer Lage sowie Qualifikationsbedarf und -angebot mal die eine, mal die andere Seite ihre Bedarfe realisieren kann – oder eben auch nicht. Häufiger in diesem Spiel hat die Beschäftigtenseite das Nachsehen und findet keinen Platz in der Arbeitsgesellschaft, dann herrscht ›Ausbildungsplatzmangel‹; seltener kommt es vor, dass die Arbeitgeberseite wegen ihres großen Arbeitshungers nicht ausreichend mit dem erforderlichen Nachwuchs versorgt werden kann, dann herrscht ›Fachkräftemangel‹. Oft befinden sich aber auch noch ausreichend viele junge Leute auf Ausbildungsplatzsuche, ohne dass die Unternehmen ihren Azubi-Bedarf mit ihnen zu decken gedenken. Sie attestieren den Bewerbern und Bewerberinnen ›mangelnde Ausbildungsreife‹ 1 und lassen Ausbildungsplätze unbesetzt. Wie sind solche widersprüchlichen Phänomene zu erklären und vor allem: Welche Konsequenzen hat dies für die Seite der ›abhängigen Variablen‹, für die Jugendlichen auf der Suche nach einer dauerhaften Beschäftigungsperspektive? Die Zugänge zum Arbeitssystem finden in einem Ausleseprozess statt. Diese Selektion – das heißt das Zulassen oder Verweigern von Positionen – erfolgt in Deutschland wesentlich über Bildungsabschlüsse. Bei aller kritischen Diskussion wird das Prinzip der Sortierung in unterschiedliche schulische (wie nachschulische) Bildungsgänge dauerhaft beibehalten. Die Höhe des Bildungsabschlusses entscheidet über die individuelle Berufsbiografie. Wer Zutritt zu den höheren Bildungsgängen erhält, kann sich im Beschäftigungssystem platzieren, wer nicht, hat es schwer, einen Weg in eine autonome ökonomische Existenz zu finden. Sie oder er bleibt im Sozialsystem hängen, bleibt auf staatliche Transferleistungen angewiesen und wird doch gleichzeitig zeit seines Lebens dazu ›aufgefordert‹, diesem circulus vitiosus eigenständig – ›aktiv‹ – zu entfliehen. 2 An diesem Ausgrenzungssystem ändert auch die derzeitig geplante Zusammenlegung von Haupt- und Realschule nichts; sie verschiebt nur die Grenzziehung, verändert aber nicht die Tatsache, dass die untere Schulstufe eben die ›Restschule‹ bleibt, deren Absolventen und Absolventinnen wenig Perspektive auf dem Ausbildungsmarkt haben. Der Zutritt ins Arbeitssystem erfolgt in zwei Schritten, die durch sogenannte biografische ›Schwellen‹ markiert sind: die erste Schwelle: von der Schule in eine Ausbildung; die zweite Schwelle: von der Ausbildung in eine Beschäftigung. 1 Vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt vier. 2 Zur Aktivierungspolitik der Hartz-Gesetzgebung vergleiche Abschnitt drei und den Beitrag von Michael Galuske in diesem Bericht. 15
16 Ausbildung Abbildung 1: Pfade der beruflichen Bildung in Deutschland *Bundesländerspezifische Besonderheiten sind nicht berücksichtigt Quelle: Baethge, Martin/Solga, Heike/Wieck, Markus (2007): Berufsbildung im Umbruch, Signale eines überfälligen Aufbruchs, S. 15.
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