ANK_Jugendliche_Schule_Beruf2008.18878.pdf - Die Senatorin für ...
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64<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze<br />
Aus professionstheoretischer Sicht ist die<br />
Einführung des Fallmanagements in der<br />
Arbeits- und Sozialverwaltung auch nicht zweifelsfrei<br />
als ›Gewinn‹ zu verbuchen. So engt<br />
der hohe Grad an Standardisierung und Formalisierung<br />
des Verfahrens und Dichte an<br />
rechtsverbindlichen Vorgaben den Grad der<br />
Entscheidungsfreiheit – ein wesentlicher Indikator<br />
professionalisierter Tätigkeiten – deutlich<br />
ein und degradiert die Fachkräfte an vielen<br />
Stellen zu ausführenden Organen der<br />
Bestimmungen ohne Ermessensspielraum. In<br />
diesem Sinne betont Polutta: ›<strong>Die</strong>ses Verfahren<br />
ist in sich fraglos rational organisiert, das<br />
Entscheidende aus der Sicht der Sozialen<br />
Arbeit ist jedoch, dass es die professionelle<br />
Entscheidungsautonomie von Fachkräften<br />
obsolet macht. Ziele, Zielgruppen und Maßnahmen<br />
sind in ihrem manageriellen Zirkelschluss<br />
nicht hinterfragbar.‹ 67 Erste empirische<br />
Befunde über die Auswirkungen der<br />
Verwaltungsmodernisierung deuten auf diesem<br />
Hintergrund durchaus verständlich an, dass<br />
viele der Fachkräfte die neuen Verwaltungsregeln<br />
als ›eine Kränkung ihrer beruflichen<br />
Kompetenzen ›empfinden‹ (der Verfasser), da<br />
nun Dinge gesteuert werden sollen, die zuvor<br />
in ihrer Entscheidungsbefugnis lagen. <strong>Die</strong>se<br />
Kränkung trifft vor allem erfahrene Mitarbeiter‹<br />
68 . Allerdings zeigt die Untersuchung<br />
auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
um ihre Entscheidungsspielräume kämpfen<br />
und die Vorgaben in Form durchaus unterschiedlicher<br />
Stile alltagspädagogisch<br />
realisieren. 69<br />
3.5 Schlussbemerkungen<br />
<strong>Die</strong> Pädagogik der Hartz-Gesetze vermittelt<br />
den Charakter einer überwunden geglaubten<br />
autoritären Fürsorglichkeit im modernistischen<br />
Gewand der Managementsprache von Profiling,<br />
Assessment, Produkten, Kunden und<br />
Fallmanagement, mit der sie ihren bevormundenden<br />
Gestus allerdings nicht überdecken<br />
kann. Helga Spindler hat in Bezug auf aktivierende<br />
Ansätze in der Sozialhilfe zu Recht<br />
betont: ›Wer mittels Aktivierung den hoheitlichen<br />
Eingriff nur kommunikativ verbrämt, das<br />
klassische Über- und Unterordnungsverhältnis<br />
wegdefiniert statt aufhebt – ohne dass die<br />
vorher existierende rechtliche Kontrolle und<br />
das vorgeschriebene Verfahren als Schutz<br />
existiert oder durch neue Kontrollverfahren<br />
abgelöst wird – der verändert alles: Beratung<br />
wird zu Erziehung und Bevormundung, Methoden<br />
der Steuerung von sozialen Hilfeprozessen<br />
verwandeln sich in dirigierende Sozialtechnik.<br />
(…) <strong>Die</strong> Hilfevereinbarung wird zum<br />
Angebot, das man nicht ablehnen kann,<br />
Beschäftigungsangebote bieten keine Perspektiven,<br />
Qualifizierung wird zu disziplinierendem<br />
Anpassungstraining; statt Eigenaktivität<br />
wird passiver Gehorsam gefordert und sogar<br />
noch gefördert, eine Arbeitsstelle wird hoheitlich<br />
zugewiesen, aus Hilfe zur Arbeit wird<br />
Arbeit als Gegenleistung <strong>für</strong> die Sozialhilfe.‹ 70<br />
67 Polutta, A. (2005), a.a.O., S. 28.<br />
68 Behrend, O. (2007), a.a.O., S. 9.<br />
69 Vgl. ebenda sowie Behrend, O u.a. (2006): Im Schatten der<br />
Aufmerksamkeit – die Arbeitsvermittler; in: IAB-Kurzbericht<br />
21/4.12.2006.<br />
70 Spindler, H. (2003): a.a.O., S. 235.