Ausgabe 05/2022
| Komplexer Markt: Coverinterview mit Astrid Grantner-Fuchs | Zu Tisch mit ... Martina Hirsch & Michael Molnar | Kommentare von unter anderem Klaus Baringer, Otmar Lahordynsky, Frank Brün, Georg Flödl, Anita Körbler, Karina Schunker, Sebastian Beiglböck, Wolfgang Fessl, Martin Prunbauer | Exklusiv im Interview: Bernhard Klein | Der 28. Real Circle: Quartiers- und Statdtent-wicklung | Über den Tellerrand: Der Radiomacher Karl Habsburg | Dompteure der Komplexität | Kooperation auf der Baustelle|
| Komplexer Markt: Coverinterview mit Astrid Grantner-Fuchs | Zu Tisch mit ... Martina Hirsch & Michael Molnar | Kommentare von unter anderem Klaus Baringer, Otmar Lahordynsky, Frank Brün, Georg Flödl, Anita Körbler, Karina Schunker, Sebastian Beiglböck, Wolfgang Fessl, Martin Prunbauer | Exklusiv im Interview: Bernhard Klein | Der 28. Real Circle: Quartiers- und Statdtent-wicklung | Über den Tellerrand: Der Radiomacher Karl Habsburg | Dompteure der Komplexität | Kooperation auf der Baustelle|
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Über den Tellerrand<br />
möglich aufzustellen, um weiter senden zu<br />
können.<br />
Ein Radiosender ist kein sehr großes Unternehmen.<br />
Man braucht 20, maximal 25<br />
Angestellte, um den Radiobetrieb aufrecht<br />
zu erhalten. Das ist ein Kleinbetrieb, das<br />
muss man auch ganz realistisch sehen. Aber<br />
wir haben dann doch relativ viel bewirken<br />
können, weil wir eben auf die Krim gesendet<br />
haben, weil wir in den Donbas gesendet<br />
haben. Wir haben Programme auf Tatarisch<br />
gemacht, für die Region um Uschhorod haben<br />
wir Ungarisch gesendet. Wir haben versucht,<br />
unser Scherflein im Krieg gegen die russische<br />
Okkupation beizutragen.<br />
Es wurde also auch auf Russisch gesendet?<br />
Wir senden auch auf Russisch – brauchen<br />
dafür aber eine Speziallizenz. Ich halte es<br />
für einen Fehler der Regierung, nur mehr<br />
auf Ukrainisch zu senden. Rund 40 Prozent<br />
der Ukrainer sind russischsprachig – sie sind<br />
russischsprachig, aber keine Russen. Ich bin<br />
linguistisch deutsch, und ich bin kulturell<br />
deutsch, aber das macht mich nicht zum<br />
Deutschen. Ich bin trotzdem ein Österreicher.<br />
Das sind keine Russen – das sind russischsprachige<br />
Ukrainer.<br />
Die meisten Sender aber gehören nach<br />
wie vor einflussreichen Politikern und<br />
Oligarchen. Klingt nicht unbedingt nach<br />
Pressefreiheit. In der von „Reporter ohne<br />
Grenzen“ publizierten Rangliste der<br />
Pressefreiheit steht die Ukraine aktuell im<br />
Mittelfeld – auf Platz 106 von 180.<br />
Das ist absolut richtig. Auch ich habe eine<br />
ganze Reihe von zweifellos äußerst ökonomisch<br />
interessanten Angeboten bekommen.<br />
Aber das wollte ich nicht. Die Ukraine braucht<br />
auch wirklich unabhängige Medien.<br />
Wie kommt man als unabhängiges, vergleichsweise<br />
kleines Medienunternehmen<br />
zu objektiven Nachrichten?<br />
Die Nachrichten kommen auch aus staatlichen<br />
Quellen. Die Tatsache, dass wir kein staatliches<br />
Programm fahren, bedeutet nicht, dass<br />
wir ein schlechtes Verhältnis zum Staat haben.<br />
Wir haben sowohl zur Regierung als auch zum<br />
Militär ein gutes Verhältnis. Natürlich haben<br />
Regierung und Militär Interesse an uns als<br />
Radiosender. Wir haben eine nicht zu unterschätzende<br />
Reichweite. Aus diesem Grund<br />
gibt es einen sehr regen Austausch. Wobei wir<br />
die Nachrichten natürlich auch hinterfragen,<br />
um in keine Propagandafalle zu tappen.<br />
Wenn man sich nur auf staatliches Programm<br />
abstützt, wird natürlich das Risiko, dass die<br />
Propaganda überhandnimmt, entsprechend<br />
stark. Natürlich kann ich nicht jede Nachricht<br />
überprüfen, da bin ich auch ganz realistisch.<br />
Wo wir es können, werden die Nachrichten<br />
mit unabhängigen dritten Quellen überprüft.<br />
Wo befindet sich die Sendestation?<br />
Ich habe eine ganze Weile das Studio in Kiew<br />
nicht verwenden können. Aber jetzt senden<br />
wir wieder aus Kiew. Teile des Programms<br />
kommen aber auch von meinem Radiosender<br />
in Holland, Teile werden auch in Wien<br />
produziert.<br />
Angst vor speziellen Cyber-Attacken?<br />
Nein. Wir sind standardmäßig geschützt.<br />
Dieser Schutz ist hoch, weil die Software zum<br />
großen Teil über meinen Server in Holland<br />
läuft, der sehr gut geschützt ist. Störungen<br />
hat es seit Kriegsbeginn 2014 immer gegeben.<br />
Die gehören einfach dazu. Man lernt, damit<br />
zu leben. Das ist nichts Neues, das gehört zum<br />
Standardprogramm dazu.<br />
Kurz noch zur Medienfreiheit zurück…<br />
Ich kann senden, was ich will, das ist überhaupt<br />
keine Frage. Aber durch die Tatsache,<br />
dass die meisten Medien einzelnen Interessensgruppen<br />
gehören, ist die Medienvielfalt<br />
eingeschränkt. Ich nehme an, dass sich dies<br />
im Ranking von Reporter ohne Grenzen<br />
niederschlägt. Ich sage prinzipiell, wenn ein<br />
Journalist in der Ukraine aktiv werden möchte,<br />
dann ist das auch möglich.<br />
Wie schützten Sie Ihre Mitarbeiter?<br />
Ich habe die Familien meiner Mitarbeiter nach<br />
Holland und Österreich gebracht. Mittlerweile<br />
reisen auch viele hin und zurück – das ist mittlerweile<br />
ja auch wieder möglich. Aber: Männer<br />
können ja das Land nicht verlassen. Für diese<br />
Mitarbeiter haben wir damit ein Umfeld<br />
geschaffen, indem sie ruhig arbeiten können,<br />
ohne sich Gedanken machen zu müssen, wie<br />
es ihren Familien geht. Die Mehrheit meiner<br />
Mitarbeiter stammt aus dem Donbas, viele<br />
aus Luhansk, die haben die Vertreibung im<br />
Krieg 2014 miterlebt. Viele von ihnen haben<br />
sich in den Regionen Butscha und Hostomel<br />
angesiedelt und wurden von dort <strong>2022</strong> wieder<br />
vertrieben – die meisten sind jetzt in Kiew.<br />
104 ImmoFokus