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Kunstbulletin Juli/August 2023

Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.

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Haus der Kulturen der Welt — Neue Geister und die Welt im Plural<br />

Nach einer halbjährigen Sanierung ist das HKW in Berlin unter<br />

der neuen Leitung von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung wiedereröffnet.<br />

Auf den drei schwarz-rot-goldenen Flaggen der Dachterrasse<br />

prangen nun irritierenderweise die Buchstaben D-D-R.<br />

Aber da ist auch ein grüner Streifen. Was also heisst das?<br />

Berlin — Da noch nicht alles nach der sanierungsbedingten Schliessung wieder zugänglich<br />

ist, muss ich ums Haus herum, vorbei an einer Installation im Aussenraum<br />

(Temitayo Ogunbiyi), der jetzt, nach der iranischen Dichterin, Forough Farrokhzad<br />

Garten heisst, um zum Haupteingang zu kommen. Hinter der in historische Jutesäcke<br />

verpackten Freitreppe, eine Reminiszenz an den Handel mit Kolonialwaren (Ibrahim<br />

Mahama), sehe ich auf dem Rasen neben dem Wasserbecken einen luftigen Pavillon<br />

von raumlaborberlin, der künftig als niedrigschwelliger Veranstaltungsort dienen<br />

wird. Von hier aus öffnet sich der Blick aufs neue, organisch geformte Logo, die Fassade<br />

mit den Wandarbeiten von Alberto Pitta und die von Häkel- und Webarbeiten<br />

umschlungenen Eingangssäulen von Georgina Maxim.<br />

Ähnlich vielfältig wuchert es im Inneren des Gebäudes: Die Halle, auf dem Boden<br />

ein labyrinthisches Leitsystem aus gemalten Haarflechten (N. Mutiti), ist nach der afrobrasilianischen<br />

Theoretikerin Beatriz Nascimento benannt, das untere Foyer nach<br />

der jamaikanischen Philosophin Sylvia Wynter, das darüber, abgetrennt durch einen<br />

bunten Fries (Tanka Fonta), nach der Bauhaus-Meisterin Gunta Stölzl. Das Auditorium<br />

mit an getrockneten Kameldung erinnernden Lampen von Oscar Murillo trägt den<br />

Namen der Sängerin und Aktivistin Miriam Makeba, so wie jeder Winkel, jeder Raum<br />

im HKW nicht nur Ausstellungs-, sondern auch Gedächtnisort ist.<br />

‹O Quilombismo› heisst die Eröffnungsschau, kuratiert vom aus Kamerun stammenden<br />

neuen Leiter, und schon der titelgebende Begriff lässt ahnen, dass es für viele<br />

von uns auf fremdes Terrain geht. Die Buchhandlung hilft mit dem entsprechenden<br />

Angebot, das «eingeweihte» Publikum trägt Bunt. Das ganze Haus vibriert an diesem<br />

Eröffnungswochenende vor Rhythmen, Farben. Genau diese Offenheit und Körperlichkeit<br />

teilt sich unmittelbar mit, steckt an, bedeutet Quilombo doch eine «brüderliche<br />

und freie Wiedervereinigung oder Begegnung; Solidarität, Zusammenleben, existenzielle<br />

Gemeinschaft», die «ein hochentwickeltes Stadium des soziopolitischen<br />

und menschlichen Fortschritts im Sinne eines wirtschaftlichen Egalitarismus» verkörpert.<br />

So wird der afrobrasilianische Poet und Politiker Abdias Nascimento im Ausstellungshandbuch<br />

zitiert. Nimmt man das als Programm, könnte das neue HKW ein<br />

Ort werden, wo Inklusion, Diskursivität, Antirassismus, Performativität in schillerndem<br />

Geist zusammenfinden und intersektionale Analyse auf die Fahnen geschrieben<br />

wird, oder auch «Decarbonize – Decolonize – Rehabilitate»: D-D-R. Miriam Wiesel<br />

→ ‹O Quilombismo›, Haus der Kulturen der Welt, bis 17.9., mit Handbuch und Katalog ↗ hkw.de<br />

98 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>

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