Kunstbulletin Juli/August 2023

Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm. Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.

24.06.2023 Aufrufe

Kunstbulletin: Uns ist aufgefallen, dass es kaum Frauen in Ihrer Schatzkammer-Ausstellung gibt. Ihnen auch? Hohler: Ja natürlich! Darauf achtet man heute. Aber es liegt am Angebot. Plötzlich merkt man, dass mindestens 75 Prozent der Werke von Männern stammen. Da will ich nicht mit einem Murks für Parität sorgen. Schliesslich ging ich eben trotzdem zu Hans Härri ins Zeichnen. Meiner Meinung nach muss nun die Gegenwart wirken, damit die Frauen angemessen zum Zug kommen. Kunstbulletin: Im Historischen Museum ist ein feinsinnig inszenierter Rückblick auf Ihr Schaffen und Ihr Leben zu sehen. Wie fühlt es sich an, das eigene «Vermächtnis» so ausgelegt zu sehen? Hohler: Na gut, wenn man Ja gesagt hat, ist man selbst schuld! (Lacht) Es ist interessant, sich zu vergegenwärtigen, was man gemacht hat. Was bleibt? Was wirkt? Da ist zum Beispiel ‹Der Weltuntergang›, die Ballade, die fünfzig Jahre alt ist und die wirkt wie ein Gegenwartstext. Weiter ist da das Thema der AKW-Demonstrationen, die für mich sehr wichtig waren. Die Ausstellung beinhaltet Dokumente vom Kriminalkommissariat in Zürich aus der Fichen-Affäre, die ich nicht kannte. Es ist verrückt zu sehen, dass man als Teilnehmer einer bewilligten Demonstration zum Kriminellen wird. Die Notwendigkeit der Debatte Kunstbulletin: Sie waren ganz zu Beginn auch als Kritiker tätig. Wie nehmen Sie den Kulturjournalismus heute und seinen Rückgang wahr? Hohler: Ich nehme ihn vor allem wahr. Zu meiner Jugendzeit hatte eine Stadt wie Olten drei Zeitungen: eine freisinnige, eine sozialdemokratische und eine katholische. Alle drei machten Kulturberichterstattung. Es war selbstverständlich, dass Aufführungen und Neuerscheinungen besprochen wurden. Heute ist das anders. Eine harte Auswahl setzt Akzente. Zudem erscheint dieselbe Besprechung seit dem überregionalen Zusammenschluss der Tageszeitungen in allen Blättern – Tages-Anzeiger, Basler Zeitung, Der Bund … Als Künstler kann man sich nicht mehr denken: «Vielleicht sehen sie es in Bern ein wenig anders.» Ein Kritiker, eine Kritikerin schreibt für alle Blätter. Dieser Verantwortung gegenüber den Kunstschaffenden sollte man sich auf der Vermittlerseite bewusst sein. Es kann durchaus geschäftsschädigend sein, wenn jemand schreibt: «Dieses Buch müsst ihr nicht lesen.» Kunstbulletin: Wir vom Kunstbulletin haben kürzlich eine Leser:innen-Umfrage durchgeführt. Dabei äusserten viele den Wunsch nach kritischeren Texten. Verstehen Sie diesen Wunsch? Hohler: Nun, eine negative Kritik ist weniger schlimm als gar keine. Auf meiner Homepage finden Sie eine Auflistung negativer Kritiken zu meinen Werken. Das ist einerseits humorvoll gemeint: Ich wollte keine Homepage machen, auf der nur gelobt wird. Ich wollte aber auch zeigen, was man alles aushalten muss, wenn man den Weg der Kunst einschlägt. Es braucht immer wieder Ermutigung und Selbstvertrauen. Kunstbulletin: Jetzt sprechen Sie als Kunstschaffender. Können Sie aus Sicht der Leser:innen diesen Wunsch nachvollziehen? FOKUS // FRANZ HOHLER 43

‹Schatzkammer Sammlung #6 – Franz Hohler kuratiert›, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Olten, mit Bildkommentaren von Franz Hohler. Foto: Kaspar Ruoff 44 Kunstbulletin 7-8/2023

‹Schatzkammer Sammlung #6 – Franz Hohler kuratiert›, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Olten,<br />

mit Bildkommentaren von Franz Hohler. Foto: Kaspar Ruoff<br />

44 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>

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