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Kunstbulletin Juli/August 2023

Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.

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HINWEISE<br />

Don Hertzfeldt<br />

Animation — In ‹World of Tomorrow› bekommt<br />

ein kleines Mädchen, Emily Prime, Besuch von<br />

von ihrem Klon. Dieser Klon dritter Generation<br />

erklärt der jungen Emily, dass die Menschen<br />

der Zukunft sich fortpflanzen, indem sie sich<br />

selbst klonen. Sei der Klon alt genug, werden<br />

die Erinnerungen weitergegeben und sterben<br />

somit nicht mit dem alternden Körper. Darauf<br />

nimmt der Klon Emily mit auf eine Reise durch<br />

Ereignisse, die für das Mädchen in weiter Ferne<br />

liegen, für den Klon jedoch Teil der eigenen Vergangenheit<br />

sind. Emily erfährt vom Schicksal<br />

der Menschheit, von Robotern mit Angst vor<br />

dem Sterben und von lebenden Exponaten in<br />

Museen. Neugierig und in kindlicher Unschuld<br />

ist das Mädchen fasziniert von allem, was sie<br />

umgibt, ohne dabei das Ausmass der Geschehnisse<br />

zu verstehen oder sie gar auf sich selbst<br />

zu beziehen.<br />

Don Hertzfeldts ‹World of Tomorrow› kann<br />

ohne weiteres als ein moderner Klassiker der<br />

Animationsszene bezeichnet werden. Obwohl<br />

bereits vor acht Jahren erschienen, hat er seine<br />

Aktualität und seinen Reiz nicht verloren. Die<br />

vielen philosophischen Ansätze, Denkanstösse<br />

und dystopischen Zukunftsvisionen lassen<br />

einen schwermütigen Film erwarten. Doch<br />

Hertzfeldt gelingt es, mit Humor und der Ästhetik<br />

der Strichfiguren eine tiefgründige Thematik<br />

kurzweilig darzustellen, ohne dabei an Tiefe<br />

einzubüssen. Dominique Marconi<br />

Don Hertzfeldt · World of Tomorrow, 2015,<br />

16’32’’<br />

↗ youtube.com/watch?v=4PUIxEWmsvI<br />

Barbara Signer<br />

Arbon — Die Stille dringt durchs Ohr ins Hirn.<br />

Dort stösst sie auf lauten Widerspruch. Denn<br />

das Auge meldet Strassenlaternen, Luftballons<br />

und blinkende, bunte Lichter. Aber der<br />

dazugehörige Verkehrslärm, das Lachen und<br />

die Unterhaltungen fehlen. Es bleibt still in<br />

der Kunsthalle Arbon, einzig das alte Industriedach<br />

knackt in der Sommerhitze. Im Kopf<br />

tönt es trotzdem, dank den Ohrwurmqualitäten<br />

des Ausstellungstitels: ‹The First the Last<br />

Eternity› – viel mehr Text hatte der 1994er-Hit<br />

von Snap! nicht, dabei gäbe es einiges zu sagen<br />

zum Thema Ewigkeit. Barbara Signer beweist<br />

das in einer poetischen, bildreichen Erzählung.<br />

Mit Versatzstücken aus Vergnügungsparks, aus<br />

dem urbanen Raum und aus fiktiven Welten<br />

entwirft sie einen Parcours der Optionen.<br />

Zentrale Elemente sind vier ‹Gates›: Durch das<br />

Ballontor gehen oder nicht? In den spiegelblanken,<br />

schwarzen Teich eintauchen? Im<br />

dreieckigen Tor die Richtung wechseln? Oder<br />

sich mit unbestimmtem Ziel der Kontemplation<br />

hingeben? Diese ‹Gates› sind gleichzeitig Eingang<br />

und Ausgang, sie verlangen eine Entscheidung<br />

und führen zum nächsten ‹Gate› und zur<br />

nächsten Entscheidung. Jede davon bringt die<br />

Ewigkeit ein Stück näher, jeder Schritt könnte<br />

bereits ihr Anfang sein. Ihren Sog entfalten diese<br />

Portale einerseits durch ihre Farbigkeit und<br />

Gestalt, andererseits durch ihre Kombination.<br />

Das Luftballontor beispielsweise verbreitet unbefangene<br />

Festlaune. Die Farben sind zart, die<br />

Ballons prall, nur die schwarzen Stellen stören<br />

bewusst die heitere Stimmung: Künden sie von<br />

Fäulnis oder brütendem Unheil? Die schwarze<br />

Wasserfläche dahinter, beleuchtet von einem<br />

japanischen Kandelaber, ist mehr Spiegel als<br />

See. Sie reflektiert ihre Umgebung und verweist<br />

stets auf das Andere. ‹Gate IV (New Directions)›<br />

wiederum erzwingt die Entscheidung: Wer ins<br />

lilafarbene, dreieckige Portal eintritt, kann es<br />

nicht geradlinig durchqueren, sondern muss<br />

wählen – nach links beispielsweise führt der<br />

Weg zu einer überdimensionalen hellblauen<br />

Halskette, einer Mutation von Brâncușis ‹Endloser<br />

Säule›.<br />

76 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>

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