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Kunstbulletin Juli/August 2023

Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.

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Renoir / Monet — Sinnlich atmende Momente<br />

Die Sommerausstellung in der Sammlung Oskar Reinhart «Am<br />

Römerholz» ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie anregend<br />

kleine, auf wenige Exponate konzentrierte Präsentationen<br />

sein können. ‹Im Bad der Farben – Renoir und Monet an der<br />

Grenouillère› lässt einen nicht so schnell los.<br />

Winterthur — Am Ende wird es vielen ergehen wie mir: Man weiss nicht, welchem<br />

der beiden Gemälde man den Vorzug geben soll – dem lichteren Renoir oder dem<br />

dunkleren Monet. Beide Künstler haben in jenem Sommer 1869 oft Seite an Seite vor<br />

dem Motiv gemalt, sich an eine neue, freie Bildsprache herantastend, auf dem Weg<br />

zum Impressionismus. Beide, 28 Jahre jung, träumten davon, aufgrund ihrer Studien<br />

ein gültiges Werk zu schaffen, das ‹La Grenouillère› als Inbegriff einer Sommerlandschaft<br />

zeigt. Dieser «Froschteich an der Seine» war damals beliebtes Ausflugsziel<br />

für Bourgeoisie, Bohème und das einfache Volk und dank der Bahnverbindung für die<br />

Pariser Grossstädter:innen rasch erreichbar. Von den erträumten Werken ist nichts<br />

erhalten. Geblieben sind fünf vollendete Freilichtstudien: sinnlich atmende, gegenwärtige<br />

Momente. Dem schönsten Paar, umrahmt von historischen Dokumenten und<br />

weiteren Leihgaben, ist «Am Römerholz» aktuell eine Ausstellung gewidmet.<br />

Erstmals seit ihrer Entstehung finden hier die zwei Gemälde, der hauseigene Renoir<br />

und der Monet aus der Londoner National Gallery, zusammen; man wird sie so<br />

nie wieder sehen können, darf doch der Renoir aus konservatorischen Gründen nicht<br />

reisen. Die gelungene Hängung macht vergleichendes Schauen möglich. Gerade aus<br />

der Ferne fällt auf, dass Monet sein Bild dynamischer gestaltet, indem er die unten<br />

links ansetzende Diagonale betont, die von den im Schatten liegenden Ruderbooten<br />

ausgeht und auf die helle Seine hinausführt. Absolut zauberhaft die Mini-Szenerien,<br />

die sich auf dem das Gemälde quer teilenden Steg abspielen – die dunklen Gestalten<br />

rechts, dazu mit Türkis und Rot der Gegenakzent auf der andern Seite –, sowie am<br />

linken Rand der grüne Lichtmoment, bei dem ein bisschen ‹Déjeuner sur l’herbe›-<br />

Gefühl aufblitzt. Für Monet und Renoir gilt: Mit ganz wenig ist alles da. Bei Renoir,<br />

der noch Jahre später erklärt, dass er ein Figurenmaler sei, ist das Wasser mit seinen<br />

Spiegelungen und Reflexen nicht weniger schön erfasst als bei Monet. Doch das Erzählerische,<br />

Zwischenmenschliche spielt bei ihm die grössere Rolle. Das Angedeutete<br />

ist hier expliziter als beim abstrakteren Monet, der Inhalt kaum weniger wichtig<br />

als die Form. Kein Wunder also, dass er, vom selben Platz aus malend wie Monet, den<br />

Blickwinkel etwas weiter fasst und so, neben mehr Himmel auch den Menschenauflauf<br />

auf dem Miniaturinselchen ‹Le Camembert› einbezieht, von dem das Sonnenlicht<br />

ins Wasser fliesst. Statt schattiger Dynamik lichtvolle Verheissung. Angelika Maass<br />

→ ‹Im Bad der Farben – Renoir und Monet an der Grenouillère›, Sammlung Oskar Reinhart<br />

«Am Römerholz», bis 17.9. ↗ roemerholz.ch<br />

112 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>

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