Kunstbulletin Juli/August 2023

Hintergründe. Die Künstlerin als Mittlerin von
Informationen – die Kunst als Teaser.
So auch die 34 Audio-Stationen mit Leopard-
Bezug: Zu hören ist etwa der ‹Imperial March›
aus ‹Star Wars›, zu dem das Panzermodell 2A7+
jüngst in einer bayerischen Kaserne präsentiert
wurde. Manchmal scheint die Wirklichkeit
zu grotesk, um wahr zu sein … Zudem ertönt
Therese Giehse, die 1933 als Teil des Münchner
Kabaretts Pfeffermühle ein Lied Erika Manns
sang: «Und gibt es Krieg, dann muss es ihn
halt geben / Wozu denn sonst das Militär im
Land / Die Industrie will schliesslich weiterleben
…». RDR
Natascha Sadr Haghighian / Natascha Süder
Happelmann · Social Media Series: Karl-
Stirner-Straße, Ellwangen, Bayern, 2018,
Archivpigmentdruck auf Hahnemühle Photo
Gloss Baryta, 45 x 63 cm. Foto: Jasper Kettner
Natascha Sadr Haghighian mit Zeynab
Izadyar · Jetzt wo ich dich hören kann, tun
meine Augen weh (Tumult), 2023, Stoffbanner
mit Stickerei, 230 x 150 cm
→ Lenbachhaus, bis 8.10. ↗ lenbachhaus.de
Humor
Pfäffikon SZ — Mantel, Hut, Regenschirm,
Wandercheminée, und fertig war Monsieur
Hulot. Die Kultfigur von Jacques Tati pflegte
einen skurrilen und eher stillen Humor, der
die moderne Welt und ihre Menschen liebevoll
auf den Arm nahm. Wer allerdings laute
Knatterkomiker bevorzugte, konnte damit
nichts anfangen. Was also ist Humor? Das
Vögele Kulturzentrum geht in seiner aktuellen
Ausstellung diesen Fragen nach. Vier Kapitel
fächern das Thema auf, untersuchen den
Einsatz von Humor als Ventil, als Waffe, als
sozialen Kitt und ergründen dessen Grenzen.
Was einen Menschen zum Lachen bringt, lässt
einen anderen ratlos zurück. So wie den Schreibenden
die arme Giraffe von Max Siedentopf,
die mit grossen Augen die Szenerie bestaunt
und ein am Deckenbalken festgebundenes
Seil mit Schlinge locker um den langen Hals
trägt. ‹Disappointment›, 2020/2023, heisst die
Skulptur, die einen «tragikomischen Helden
zeigt, der sich nicht ändern kann und so sogar
am eigenen Suizid scheitert.» Nun denn.
Informativer ist da schon der Tisch mit den drei
Szenen aus der Kinokomödie ‹Fack yu Göthe 3›,
2017, die von jungen Menschen – dem Zielpublikum
– untersucht werden. Da gibt es ein
paar interessante Einblicke in den heiklen und
nicht klar definierbaren Grenzbereich zwischen
«lustig» und «daneben». Genau hier ist ‹Kotz
dich frei mit Mickry 3›, 2012, platziert; eine
Installation mit Eimer, einem daraus emporragenden
Schwall Süssigkeiten und der Möglichkeit,
sich beim «Kotzen» zu fotografieren.
Wenn alle anderen Selfie-Motive aufgebraucht
sind – aber lustig? Viel spannender ist das
Video ‹Was ist ein Meme?›, in dem der anonym
auftretende Künstler Cem A. die Hintergründe
dieses Online-Humorüberbringers erklärt und
aufzeigt, was ein «gutes» Meme ausmacht. Wie
lokal zudem Humor oft verankert ist und wie
stark er von Wortspielen lebt, illustriert eine
grosse Weltkarte an der Wand.
Sicher ist hingegen, dass überall gerne über
andere und deren – vermeintliche – Unzulänglichkeiten
gelacht wird. Über sich selbst zu
84 Kunstbulletin 7-8/2023