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Kunstbulletin Juli/August 2023

Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.

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Biennale Architettura, Schweizer Pavillon — Nachbarschaft<br />

Als ‹Laboratory of the Future› hat Lesley Loko dieses Jahr die Architekturbiennale<br />

kuratiert. Das Fundament bildet die Aussage,<br />

dass die eurozentrische Geschichte der Architektur unvollständig<br />

sei. Das bringt Dynamiken mit sich, die von den Teams der<br />

Länderpavillons unterschiedlich aufgegriffen werden.<br />

Venedig — Zeitlos, mit Wurzeln in der europäischen Moderne – so kommt rechts der<br />

Hauptachse in den Giardini der 1952 eröffnete Schweizer Pavillon von Bruno Giacometti<br />

mit baumbestandenem Innenhof, Backsteinmauerwerk, Natursteinboden alla<br />

Venezia und schlanken, weiss lackierten Metallelementen daher. Zwei Jahre später<br />

wurde direkt daneben der Venezolanische Pavillon auf Grundlage der Pläne von Carlo<br />

Scarpa errichtet. Den Boden des Hauptsaals im Giacometti-Bau bedeckt nun ein<br />

Webteppich, der die Originalpläne beider Pavillons abbildet. In der Montage zeigt er,<br />

wie die beiden Pavillons ursprünglich aufeinander bezogen waren.<br />

Der in der Türkei gewebte Teppich ist neben Sitzgelegenheiten aus Backsteinen<br />

ein Element des Projekts, mit dem die Künstlerin Karin Sander und der Kunsthistoriker<br />

Philip Ursprung, beide Professoren an der ETH Zürich, den offenen Wettbewerb<br />

der Pro Helvetia für sich entschieden haben. Die Backsteine wurden durch den Rückbau<br />

einer nach den 1980er-Jahren eingezogenen Wand verfügbar. Der so wiederhergestellte<br />

Durchgang zwischen beiden Bauten ist das Rückgrat des Konzepts, die Architektur<br />

des Pavillons zum Exponat zu machen. Erstmals werden in dieser Breite<br />

dank kollaborativer Forschung die Relationen aufgezeigt, mit denen der Schweizer<br />

Pavillon zu lokalen Baukulturen, Botanik und der Gegenwart steht: Bei der Biennale-Eröffnung<br />

charakterisierte Ursprung die Schweiz als «Land mit Ambivalenz» im<br />

Kräftefeld geopolitischer sowie sozioökonomischer Interessen, etwa beim Rahmenabkommen<br />

mit der EU, und sprach sich dafür aus, «aus der Neutralität heraus die<br />

immer wieder zu beobachtende Eigennützigkeit mit Kunst und Architektur» infrage<br />

zu stellen.<br />

Der weiter hinten gelegene Deutsche Pavillon wird als Lager präzise inventarisierter<br />

«Restbestände» an Materialien der Biennale 2022 mit Werkstatt betrieben. Das<br />

Konzept der Instand(be)setzung manifestiert sich auch in einem menschenfreundlicheren<br />

Zugang. Mit einer verspiegelten Bühne in Space-Shuttle-Optik propagiert der<br />

gegenüberliegende Französische Pavillon die Vision einer «utopia povera», angelernte<br />

Sprachen und Gewohnheiten fremd werden zu lassen und einen Neuanfang in der<br />

Diversität zu wagen. Dieser Vorstoss, ein neues Alphabet aus dem «lore ipsum», dem<br />

Blindtext, zu lernen, vermittelt zu der Architektur und den Architekturschaffenden<br />

afrikanischer Herkunft, die bei dieser Biennale hierzulande erstmals in dieser Breite<br />

kennengelernt werden können. Stefanie Manthey<br />

→ ‹Biennale Architettura›, bis 26.11. ↗ labiennale.org<br />

110 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>

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