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Kunstbulletin Juli/August 2023

Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.

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Parlament der Pflanzen — Gemeinschaftsbildende Flora<br />

Müssen wir die Pflanzen retten oder retten sie uns? Das Kunstmuseum<br />

Liechtenstein greift mit ‹Parlament der Pflanzen II› ein<br />

bereits früher bearbeitetes Thema wieder auf. Diese Vertiefung<br />

lohnt sich, zeugt sie doch mit 19 künstlerischen Positionen von<br />

einer veränderten Perspektive auf das Thema.<br />

Vaduz — Zum Einstieg der Wald: Mooskissen, Baumriesen, Dickicht, Blattgrün – Thomas<br />

Struths Werkgruppe ‹Pictures of Paradise› zeigt intakte Natur, ohne Menschen,<br />

ohne Tiere. Der Künstler fotografierte Wälder in Australien, Japan, Peru oder in Bayern.<br />

Die entstandenen grossformatigen Bilder porträtieren jedoch keine einzelnen<br />

Biotope, sondern den unermesslichen Naturraum, seine Vitalität, seine Schönheit<br />

und seine Kraft, auf die Menschen einzuwirken, ihnen Stille und Wohlsein zu schenken.<br />

Damit steht bereits zum Auftakt von ‹Parlament der Pflanzen II› im Kunstmuseum<br />

Liechtenstein nicht das einzelne Gewächs im Mittelpunkt, sondern die Symbiose,<br />

die Gemeinschaft der Pflanzen, das Beziehungsgeflecht der Lebewesen – auch zwischen<br />

Flora und Mensch.<br />

Während in der ersten Ausgabe von ‹Parlament der Pflanzen› 2020 noch der anthropozentrische<br />

Blick auf Pflanzen dominierte, wird im zweiten Teil des Ausstellungsprojektes<br />

immer wieder deutlich, wie sehr es auf das Miteinander ankommt: So zeigt<br />

Ursula Biemann das Leben Indigener Gemeinschaften mit dem Wald, Polly Apfelbaum<br />

die Vielfalt der Nutzpflanzen oder Uriel Orlow pflanzliche Kommunikationsnetzwerke<br />

und das «Waldbewusstsein». Pflanzen werden mehr und mehr als Subjekt, denn<br />

als Objekt begriffen. Erst dadurch wird ein neues Zusammenleben möglich. Auch<br />

die Kiewer Künstlerin Alevtina Kakhidze sieht Pflanzen als handelnde Wesen, sie<br />

beschreibt sie als pazifistisch und hebt ihre Widerstandskraft und Beharrlichkeit<br />

hervor. Dies hat bereits grosse Nähe zum Politischen, dem ein besonderer Ausstellungsteil<br />

gewidmet ist: Die unter ‹Politik der Pflanzen› gezeigten Positionen stammen<br />

aus dem Bestand der Graphischen Sammlung der ETH Zürich und beschäftigen<br />

sich mit Grenzziehungen, ökonomischem Druck oder dem Verhältnis von Kultur und<br />

Natur. Monica Ursina Jäger beispielsweise lässt die Pflanzenwelt architektonische<br />

Strukturen durchdringen und verwendet als Zeichenmaterial Chlorophyllin. Dieses<br />

Ausstellungsinsert ist durch die zartgrüne Wandfarbe und kleinerformatige Arbeiten<br />

auf Papier durch eine andere Masstäblichkeit gekennzeichnet.<br />

Ebenfalls räumlich eigenständig sind die eingebauten Wissensinseln. Sie führen<br />

zu philosophischen, naturwissenschaftlichen oder historischen Exkursionen in<br />

die Pflanzenwelt, begleitet von künstlerischen Arbeiten. Aber auch ihre Szenografie<br />

schlägt eine Brücke zum Thema: Auf ihren hölzernen Stelzen gleichen sie Baumhäusern<br />

und verleihen auch diesem «Theorieteil» eine sinnliche Ästhetik. Kristin Schmidt<br />

→ ‹Parlament der Pflanzen II›, Kunstmuseum Liechtenstein, bis 22.10. ↗ kunstmuseum.li<br />

108 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>

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