Kunstbulletin Juli/August 2023
Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm. Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.
Camille Scherrer · Play Out, 2023, pulverbeschichtetes Blech, Motor und rotierende Struktur, Metalldrähte, ø 250 cm (wenn in Rotation), 230 cm ab Boden. Foto: Gabriel Monnet Moni Wespi · Dancing Ages, 2020, Video, 16:9, 6’27’’ © ProLitteris BESPRECHUNGEN // BEX 103
Thu Van Tran — Leben im Glanz Sonnenaufgang, Mittag, Sonnenuntergang: Über drei Kapitel führt die gebürtige Süd-Vietnamesin Thu Van Tran im MAMAC in Nizza durch ihr Werk. Es setzt die Verführungskraft des Schönen ein und äusserst präzise handwerkliche Arbeit, um die politische Realität ins Bewusstsein zu bringen. Nizza — Wolken, undurchdringlich, wie dicker Nebel, beissend. In drei Fresken versucht der Blick, sich anzuheften, rutscht ab, verliert sich im Farbvolumen. Sechs oder mehr Farben hat die Künstlerin übereinandergelegt. Sie spricht von ihnen wie von Agenten ihrer Arbeit: «Ich habe dem Nickelgrün vertraut, das ich eigens aus den USA mitgebracht habe, es beruhigt die anderen Farben, ohne zu dominieren.» Aus wolkigem Grau leuchten die Schichten hervor. Zeigt das eine Farbexplosion? – Nein: «Hier geht es in keinem Fall darum, etwas darzustellen.» Vielmehr um eine beklemmend konkrete ästhetische Erfahrung: Die Farben, welche Thu Van Tran (*1979, Hanoi) für ihre erste Soloschau in Frankreich auf die Wände des MAMAC aufgetragen hat, entsprechen den Farbcodes verschiedener Dioxine, die das US-amerikanische Militär ab 1961 auf südvietnamesische Stellungen versprühte. Das sprichwörtlich gewordene «Agent Orange» zerstörte Tausende Hektar Urwald, bis heute leidet die Bevölkerung unter Spätfolgen. «Eine Studie hat ergeben, dass der Boden bis zu dreissig Meter tief mit Dioxinen verseucht ist.» Das erzählt die Künstlerin sichtlich bewegt, man merkt, dass es ihr ums ganze Ökosystem, unser Handeln und unsere Aufgabe, die nicht immer frei gewählt ist, geht: Ihre Familie zapfte noch in den Kautschukplantagen Süd- Vietnams das «weisse Gold» aus den Bäumen, mit dem die Künstlerin nun in Nizza gearbeitet hat. Monate hat die Wahl-Pariserin, die 2020 auch im Kunsthaus Baselland vorgestellt wurde, an einer grossen Zeichnung gearbeitet, am Explosionsrauch, der auf die Betrachtenden zurollt. Dann setzte sie mit Sprühfarbe eine Reihe von fünf Punkten. Grell läuft die Farbe über die delikat grauen Schraffuren: ‹Arc-en-ciel d’herbicides›. Gewalt und Schönheit, das alte appollinische Paar, Thu Van Tran weiss es zu nutzen. Sie lotet tote Winkel des Kolonialismus mit teils modernistischer Geste aus. Bedeutungsvoll fügt sie ein Händepaar zur auffangenden Geste, daneben eine Faust. ‹Récolte – révolte› sind für die Künstlerin enge Verwandte. Über ‹L’étincelle›, einem 2018 in Bronze gegossenen Arm einer Zehnjährigen, die Faust geballt, verläuft seitens der Wand eine Schweissnaht wie eine Narbe. Thu Van Tran rekonstruiert sehr präzise Tat hergänge der Moderne, lotet sie mit persönlich Erlebtem und Biografischem aus, transformiert sie zu dichten, poetischen Formen. Ihre empfindsamen Resonanzflächen klagen nicht an, wollen nicht überzeugen. Sie machen mit durchdringender Traurigkeit erfahrbar, was den modernen Menschen ausmacht. J. Emil Sennewald → ‹Thu Van Tran – Nous vivons dans l’éclat›, MAMAC, bis 1.10. ↗ mamac-nice.org 104 Kunstbulletin 7-8/2023
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Camille Scherrer · Play Out, <strong>2023</strong>, pulverbeschichtetes Blech, Motor und rotierende Struktur,<br />
Metalldrähte, ø 250 cm (wenn in Rotation), 230 cm ab Boden. Foto: Gabriel Monnet<br />
Moni Wespi · Dancing Ages, 2020, Video, 16:9, 6’27’’ © ProLitteris<br />
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