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Kunstbulletin Juli/August 2023

Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.

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Monika Sosnowska — Verformungen im Grossen und im Kleinen<br />

Gewaltige Kräfte deformieren den Stahl von Monika Sosnowskas<br />

Objekten und Installationen. Ihre Modelle zu den Arbeiten nehmen<br />

sich dagegen äusserst zartgliedrig und fragil aus. Nun werden<br />

sie erstmals neben den Plastiken gezeigt und machen so<br />

die Fein- und Schwerarbeit ihrer Kunst erfahrbar.<br />

Bern — Zunächst fallen in der Ausstellung von Monika Sosnowska (*1972) im Zentrum<br />

Paul Klee die wuchtigen Stahlplastiken der polnischen Künstlerin auf. Beinahe<br />

verschwinden daneben ihre rund 50 Arbeitsmodelle in stark verkleinertem Massstab,<br />

obwohl sie an prominenter Stelle dicht nebeneinander platziert sind. Bereits im Vorraum<br />

hängt ein markantes Knäuel aus Armierungseisen von der Decke, die Schwerkraft<br />

scheinbar aushebelnd, und eingangs der Ausstellung prangt emblematisch das<br />

Fragment eines verbogenen Torgitters, ‹Gate›, 2019. Flankiert wird dieses von zwei<br />

Grossplastiken, einem in sich gedrehten Handlauf, ‹Ohne Titel (Handrail)›, 2015, und<br />

einer zerquetschten Treppe, ‹Stairs›, 2019. Ein weiterer Handlauf, rot ummantelt,<br />

schlängelt sich in mehreren Windungen entlang der Seitenwand, angepasst auf die<br />

Raumsituation. Auch die verwinkelte Ausstellungsarchitektur wurde eigens von der<br />

Künstlerin konzipiert, in Anlehnung an ihre früheren Installationen.<br />

Die Ambivalenz der monumentalen, mitunter monströsen, doch ebenso poetisch<br />

verspielten Werke – insgesamt 18 Plastiken der letzten zehn Jahre – spiegelt die Entwicklung<br />

Warschaus wieder, wo die Künstlerin länger schon lebt. Sie interessiert sich<br />

für die Zeugnisse der gescheiterten, sozialistisch-modernen Planarchitektur und der<br />

planlosen Architektur des rigide einsetzenden Kapitalismus nach 1989. Auf Erstere<br />

beziehen sich, ähnlich einer Typologie, die Armierungseisen und Gitter, die Handläufe<br />

und Treppen. Auf Letztere dagegen die Serie ‹Market›, unter anderem mit verbogenen<br />

Regalauslagen, welche an die hastig errichteten und inzwischen verwaisten Marktstände<br />

der Nachwendezeit erinnern. Den Erscheinungen im Grossen entsprechen die<br />

Modelle im Kleinen. Sie zeigen gar deutlicher das Spektrum der Arbeiten auf, zumal<br />

sie aus allen Schaffensphasen der Künstlerin stammen und auch nicht realisierte<br />

Plastiken als Entwurf abbilden. Dank des Anliegens des Zentrum Paul Klee und des<br />

Kurators Martin Waldmeier, künstlerische Arbeitsprozesse sichtbar zu machen, sind<br />

erstmals überhaupt Modelle von Sosnowska ausgestellt. Eingehend besprochen<br />

werden sie auch in der Begleitpublikation. Eine Fotodokumentation zeigt zudem auf,<br />

wie es der Künstlerin gelingt, die Modelle mithilfe polnischer Ingenieur:innen und<br />

Handwerker:innen formal nahezu identisch ins Grossformat zu übersetzen. Die Miniaturen<br />

selbst machen ein wenig den Anschein unmöglicher oder eben misslungener<br />

Architekturen, was angesichts ihrer feinteiligen Ausführung in Papier, Holz und Draht<br />

umso reizvoller wirkt. Marc Munter<br />

→ ‹Monika Sosnowska›, Zentrum Paul Klee, Bern, bis 10.9. ↗ zpk.org<br />

100 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>

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