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Kunstbulletin Juli/August 2023

Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.

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In einer eindringlichen Schau in der Fondation Beyeler zeigt Doris<br />

Salcedo eine Werkauswahl von den 1980ern bis heu te. Die Kolumbianerin<br />

adressiert in ihrer Kunst die gewalterfüllte Geschichte<br />

ihres Heimatlandes, perspektiviert diese aber auch auf globale<br />

Machtstrukturen und die grossen Probleme der Gegenwart – Ungerechtigkeit,<br />

Aus beutung, Migration. Martina Venanzoni<br />

Es ist eine Ausstellung, die auf den ersten Blick fast ohne Farben auskommt: Dominant<br />

sind Weiss- und Grautöne, Anthrazit, Schwarz und verschiedene Beige- und<br />

Braunnuancen. Genauso gedämpft ist die Stimmung, welche die Werke von Doris Salcedo<br />

in der Fondation Beyeler vermitteln. Leere Gitterrostbetten aus Stahl, getragene<br />

Schuhe, einzeln oder paarweise, grabähnliche Steinplatten, schwere Möbel aus<br />

dunklem Holz. Als Materialien finden sich zudem oft chirurgischer Faden, tierisches,<br />

an Pergament erinnerndes Gewebe, Textilien, Gips und Stahl.<br />

Kolumbien und globale Probleme<br />

Für ihre Arbeiten geht Salcedo von den Schrecken aus, die Kolumbien in den letzten<br />

Jahrzehnten erschüttert haben: Bandenkriege und politische Instabilität, Massaker<br />

und verschwundene Personen. Doch ihre Werke sind mehr als nur Mahnungen<br />

an die Opfer jener konkreten Ereignisse. Ausgehend von einer Begebenheit schafft<br />

die Künstlerin Werke, die auf einer universellen und durchaus auch poetischen Ebene<br />

über Schmerz, Trauer, Ungerechtigkeit sowie politische und strukturelle Gewalt<br />

sprechen: «Ein Grossteil der Werke gründet in Ereignissen in Kolumbien», sagt die<br />

Künstlerin an der Pressekonferenz zu ihrer grossen Überblicksschau in Riehen. «Es<br />

ist mir aber wichtig, eine Verbindung zu schlagen zwischen dem, was im Globalen<br />

Süden geschieht, und dem, was in der restlichen Welt passiert. Wir leben in einer<br />

gemeinsamen Welt, vieles ist miteinander verbunden.»<br />

Die Vielzahl der Deutungsmöglichkeiten macht denn auch die Stärke von Salcedos<br />

Arbeiten aus. Ihre poetische Universalität verleiht ihnen Zeitlosigkeit, ihre historische<br />

und geografische Verwurzelung sorgt für Tiefe. Beeindruckend sind dabei die<br />

vielen Schattierungen, welche die Künstlerin in den Weiss-, Grau- und Brauntönen<br />

hervorzurufen vermag.<br />

Verschiedene Arten von Gewalt<br />

Karge Metallbetten sprechen in einem Ausstellungsraum von Abwesenheit und<br />

Entbehrung. Neben ihnen stapeln sich fein säuberlich zusammengefaltete weisse<br />

Hemden, die von Stahlstäben durchbohrt sind und durch Gips in eine erstarrte Form<br />

gebracht wurden. Wie dem Saaltext zu entnehmen ist, beziehen sich die beiden Arbeiten<br />

auf ein Massaker, das 1988 auf einer Bananenplantage im Norden Kolumbiens<br />

verübt wurde. Aber auch ohne Kenntnis dieses konkreten Kontexts entfalten die<br />

Arbeiten ihre Wirkung und rufen Bilder der unschönen Seiten von Globalisierung und<br />

28 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>

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