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Hungerhahn und Kommunisten<br />
Als mein Vater Anfang 1930 arbeitslos wurde, krähte so einige<br />
Male der Hungerhahn bei uns zu Hause. Mein Vater war<br />
ein solider Mann. Er rauchte und trank nicht und ließ sich<br />
so manches einfallen, damit dem Hungerhahn wenigsten<br />
hin und wieder der Schnabel gestopft werden konnte. Einige<br />
Male nahm er mich mit auf „Fechttour“. Das hieß, wir fuhren<br />
über die Dörfer, gingen von Tür zu Tür, klopften und bettelten<br />
bei den Bauern um Lebensmittel. Mein Vater bot sich dabei<br />
an, Arbeiten für Lohn zu verrichten. Einige Bauern gaben ihm<br />
Arbeit, andere jagten ihn fort. Ich lernte bei diesen Klopftouren<br />
das Verhalten der unterschiedlichsten Menschen in guten wie<br />
auch in schlechten Zeiten kennen. Wenn wir zwei Dörfer<br />
abgeklappert hatten, war meistens der Rucksack voll mit<br />
Kartoffeln, Brot, Schlackwurststullen und ab und zu sogar<br />
mit ein paar Eiern.<br />
1930 bekam mein Vater Arbeit als Gleisbauarbeiter bei der<br />
Deutschen Reichsbahn in Brandenburg. Die Gleise in der<br />
Rotte, so nannte man eine Gruppe Gleisbauarbeiter, zu<br />
setzen, war eine schwere körperliche Arbeit. Wenn er nach 10<br />
Stunden Arbeit nach Hause kam und am Abendbrottisch saß,<br />
fiel ihm der Kopf vor Müdigkeit beinahe in den Teller. Meine<br />
Mutter war eine junge, lebenslustige Frau und wollte immer<br />
gern tanzen gehen. Aber mein Vater war zu kaputt, und<br />
deshalb kam es oft zu Streitigkeiten.<br />
Neue Wohnung, eigenes Kinderzimmer<br />
Die Wohnung wurde zu eng. Fünf Personen in einem so kleinen<br />
Haushalt waren einfach nicht mehr erträglich. Wir hatten<br />
Glück und bekamen eine Wohnung in der Neustätter Wassertorstr.<br />
6. Ein riesiges Zimmer, das zugleich als Wohn- und<br />
Schlafstätte diente, zwei kleine Kammern und eine Küche.<br />
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