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Endlich hatten wir Kinder ein eigenes Zimmer, und ich musste<br />
nicht mehr bei Dunst und Küchengeruch schlafen.<br />
Die Wohnung hatte auch noch einen weiteren Vorteil. Wir<br />
wohnten jetzt ganz in der Nähe von meiner Oma, denn unser<br />
Hof hatte auch einen Ausgang in Richtung „Deutsches Dorf“.<br />
So konnte ich, wann immer ich wollte, Oma einen kurzen<br />
Besuch abstatten. Wenn ich dort war, gab es außer lieben Worten<br />
immer etwas zu futtern. Für mich war ein Besuch bei ihr<br />
immer aufregend und etwas ganz Besonderes.<br />
Mein Vater begann mit der Aufzucht von Kanarienvögel, was<br />
zur Folge hatte, dass eine Wand des Wohnzimmers voller<br />
kleiner Zuchtkäfige war. Ich kann nicht mehr sagen, wie viele<br />
es waren, denn ich habe sie nie gezählt. Die Jungvögel<br />
wurden an Interessenten oder an die Zoohandlung „ Piekowski“<br />
verkauft.<br />
An den Abenden saßen meine Eltern nach dem Abendbrot<br />
beim Schein der Gaslampe am Wohnzimmertisch und pinselten<br />
kleine Lineolsoldaten für die Spielzeugfabrik „Wiederholz“<br />
an. So verdienten sie für die Familie ein Zubrot, das dem<br />
Haushalt und somit uns Kindern zugute kam.<br />
Einschulung<br />
Im April 1930 wurde ich eingeschult. Das ließ sich meine Oma<br />
nicht nehmen. Sie übernahm für ihren ersten Enkel die finanziellen<br />
Kosten der Einschulung, einschließlich Anzug und<br />
Tüte. Auch Oma putzte sich heraus, mit langem Rock,<br />
Rüschenbluse und Kompotthut, einem Hut in Obstform. Stolz<br />
ging ich an Omas Hand. Hinter uns die Eltern und Geschwister.<br />
Ich wurde in die weltliche Schule am Katharienkirchplatz eingeschult.<br />
An dieser Schule gab es keinerlei körperliche Züchtigung<br />
und auch keinen Religionsunterricht.<br />
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