PCSHK_R.pdf
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© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11<br />
doch mir sehnt dich, mich träumenden uns, mir<br />
auflösenden, erloschenen mich<br />
Kondolenzschreiben:<br />
Als ich jung war, dachte ich, daß ich mit jedem Jahr, das ich<br />
älter werden würde, den Tod besser werde verstehen lernen. Aber<br />
als ich dann älter wurde mit jedem Jahr, habe ich erkannt, daß es<br />
kein Alter gibt, wo man dem Tod vielleicht mit Gleichgültigkeit<br />
begegnen kann. Am Ende haben wir nur unsere Erinnerungen, die<br />
guten genauso wie die schlechten, und indem wir uns erinnern,<br />
lernen wir, wenn schon nicht den Tod zu verstehen, so wenigstens<br />
neben ihm zu leben.<br />
Jetzt besaßen wir also nur noch unsere Erinnerungen. Aber manchmal<br />
weiß man dann nicht einmal mehr, was man damit tun soll, ob man<br />
diese Erinnerungen nämlich für sich behalten oder sie zur Gänze<br />
zerstören müßte, um zumindest irgendwie weiterleben zu können.<br />
Denn darum geht es ja, es geht zu jedem Augenblick, den man atmet,<br />
um das Weiterleben, es geht immer um das Überleben!<br />
Und bisweilen passiert es dann, daß jene Erinnerungen, die man<br />
behalten hatte einer falschen Hoffnung wegen, oder vielleicht auch<br />
nur aus Gewohnheit, obgleich man sie eigentlich auszulöschen<br />
bemüht war, den Schmerz, welchen man empfindet, nicht zu lindern<br />
vermögen, im Gegenteil, es ist während dieser Momente, wo man sich<br />
erinnert, tatsächlich vielmehr so, als würde der Schmerz losgelöst<br />
von den gemachten Erinnerungen zu betrachten sein, es ist<br />
geradeso, als würde er existieren ohne daß davor etwas<br />
Schmerzhaftes geschehen wäre. Letztendlich bedeutet das natürlich<br />
nichts anderes, als Ursache und Wirkung umgekehrt oder überhaupt<br />
außer Kraft gesetzt zu haben...<br />
Nun hatte es sich aber auf ebendiese Weise ereignet bei mir, und<br />
ich weiß Ihnen nicht zu sagen, ob ich nicht besser daran getan<br />
hätte, den Schmerz, welchen ich empfand, zu behandeln, indem ich<br />
mich einfach erinnerte; schließlich hört man ja doch immer wieder<br />
sagen, daß es hilfreich wäre, sich zu erinnern, und daß man sich<br />
nicht wehren solle dagegen, weil es sonst nur umso mehr schmerze<br />
und vielleicht sogar die Wunde, die man trägt, niemals abheilen<br />
werde. Doch manchmal sind es wirklich nur die Erinnerungen, welche<br />
einen zu zerstören beginnen, und da weiß man dann sehr gut, daß<br />
man sich zu erinnern aufhören muß, um weiterleben und irgendwie<br />
überleben zu können.<br />
Und an jenem Morgen, der dann irgendwann einmal passiert und dich<br />
zum Ende der Erinnerungen ruft, widersteht man auch nicht mehr,<br />
sondern hört auf, sich zu erinnern an den erlittenen Verlust oder<br />
an das Schöne, das man geschaffen und geteilt hatte mit jemand<br />
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