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© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11 Dies ist kein Text zu lesen. Er ist nicht zu riechen, nicht zu greifen noch zu schmecken. Er wird nicht nacherzählt werden oder rezitiert, wird endlich keiner Beschreibung standhalten, noch ediert werden müssen. Dies ist kein Text zu lesen. Allenfalls ist er...zu leben. Ich hatte F geträumt. Ich meine, es war nicht der sechste Buchstabe des Alphabets, über welchen jener Traum sich gezeichnet hat. Aber es war auch nicht eine Person, es war nicht der Name irgendeines Menschen, welcher meinen Traum bestimmt hatte! - - Eine Leidenschaft ist es gewesen, von welcher mir träumte. Aber es war nicht an erster Stelle das Ficken oder das Fühlen, das mir träumte, wie Sie vielleicht jetzt denken mögen, daß ich geträumt hatte, sintemal ich von einer Leidenschaft gesprochen und sintemal das Ficken oder das Fühlen allenthalben solche Appetenzen sind. Ja, es war noch nicht einmal das Flüchten, mit welchem dieser Traum mich konfrontiert hatte, obschon ich zuweilen doch sehr eskapistisch bin! Dennoch ist es eine Leidenschaft gewesen, die mir träumte. Es war sogar – das kann ich heute gewiß sagen - eine Leidenschaft, welche sich bisweilen zum ersten Mal manifestiert in einer Gegenwart, die so bedeutungslos ist, daß sie sich nur noch nach den vergangenen Jahren sehnt. Und jene Leidenschaft, von welcher ich träumte gestern nacht, ist tatsächlich eine schon zehn Jahre dauernde. Ich hatte sonach, als ich vielleicht zwölf Jahre zählte oder sechszehn, diese Leidenschaft zum erstenmal rekognosziert, und ich hatte sie auch über zehn Jahre getragen in mir selbst wahrscheinlich zu jeder Stunde, während welcher ich träumte. Oh, aber es war das keine Appetenz, über welche man schlecht denken wird müssen! Es war keine Leidenschaft, die der Moral oder des Falsifikationsmechanismus (welcher - doch das sei nur jetzt gesagt - gewiß die bessere Moral zu sein vermag) bedurfte, um also irgendeinen dräuenden Schaden bereits im Ansatze zu zerschlagen. Nämlich es war nicht so, daß ich etwa die Folter träumte, und also spätestens nach dem Erwachen hätte handeln müssen, um nicht doch dereinst den Beruf eines Folterknechtes zu erlernen oder wenigstens dessen Gier mir anzueignen für spätere Zeiten und Umstände! (Wie ja so oft eine solche Leidenschaft, die allein dem Tod dient, nur deshalb möglich geworden war, weil man nichts dagegen getan hatte über jene vielen Jahre, während welcher man zwar keine Gelegenheiten hatte, das auszuüben, aber umso mehr Zeit, sich mit jenen Phantasien auseinanderzusetzen.) Auch habe ich nicht das Fliegen geträumt, von welchem ich immer solcherart dachte, daß es nur eine andere Art des Eskapismus sei! ... Gewisse Ideen sind nicht mehr abzuschaffen, wie zum Beispiel die Religion oder der Nationalsozialismus. Diese beiden werden immer als Korrektiv genannt und vielleicht sogar notwendig sein. 4
© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11 Ich schreibe aus der Situation und ihrem Augenblick heraus; das ist nun auch der Grund dafür, daß meinen Texten keine Überlegungen zugrundeliegen! Manche Gespenster, die in meinen Texten auftauchen, habe ich mir nicht ausgedacht, noch habe ich sie falsch geschminkt. Ich wollte dort vielmehr nichts anderes, als die Argumentation irgendeines Protagonisten wiedergeben, dessen Worte und Überzeugungen mich so falsch bedünken, daß der Text mehr und mehr in eine Verwirrung gedrängt werden mußte von mir selbst! Den Schriftstellern begegnet man heute nicht anders als den Zigeunern. Aus jeder Stadt und von jeder Straße werden wir gejagt! Aber wir schließen uns den Zigeunern nicht an, weil wir endlich wissen, daß man uns Literaten und Zigeuner im nächsten Moment vielleicht schon verlästern oder verlachen würde dafür, daß wir uns zusammengetan. Und wenn du nach der Wahrheit frägst, dann sollst du auch wissen, daß die Wahrheit nicht immer schön ist oder so ganz unbeschwert zu ertragen! 5
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