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© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11<br />

hatte dabei ein Liedchen gesungen geradeso, als wäre das die<br />

einzige Art, den Pförtner zu düpieren und aus dem Irrenhaus zu<br />

retirieren. Aber ich mochte diesen Mozart genausowenig wie den<br />

Direktor oder den Chef de rang, der vielleicht dessen Adjutant<br />

gewesen war! Überhaupt wußte ich nicht zu sagen, warum alle diese<br />

Gestalten gekommen waren oder weshalb ich selbst, als ich<br />

gestürzt, nach einem Zimmer verlangt hatte. Nichtsdestotrotz<br />

erinnerte ich mich, daß ich auf der Suche war, in der ganzen<br />

Stadt, an jedem Tag, als ich mich endlich zum zweiten Male lang<br />

ausstreckte auf jenem Bett, das, wie ich zuvor schon agnosziert<br />

hatte, groß war und weich gepolstert. Es wäre gewiß gut zu<br />

schlafen darin! Aber o, ich selbst konnte nicht einschlafen, nicht<br />

einmal für einige Atemzüge oder länger! Nämlich ich war dagelegen<br />

wie ein aufgebahrter Toter in der Prosektur, für dessen Sarg schon<br />

das Maß bestimmt worden war. - - So ist der Sarg, habe ich denn<br />

gedacht (und vielleicht habe ich das auch gewußt), das Spielzeug<br />

des Küsters, der den Deckel öffnet mit einer Appetenz, die schon<br />

sehr den Leichenfledderern ähnelt, welche wiederum die Toten<br />

verwechseln mit den Körpern von liegengelassenen Puppen, die<br />

vielleicht elf Tage davor durch die Luft geschleudert worden<br />

waren, als die Schockwelle irgendeiner Explosion den Äther<br />

erleuchtete! - - An jedem Vorplatz habe ich den Tod riechen<br />

können; an jedem Platz, auf jeder Straße habe ich den Tod<br />

schmecken können, in jedem Hinterhof, in den Gassen und den<br />

Unterführungen, in den Vestibülen oder den Parkanlagen, nämlich<br />

überall dort hatte ich seine Markierung aufgespürt, wo nur<br />

zumindest eine unbebaute Fläche zu rekognoszieren war, vielleicht<br />

drei oder dreiundeinhalb Quadratmeter Erdboden, Asphalt, Beton,<br />

Parkett... - - Dieser Tod hatte ganz gewiß einen feinen Duft, ich<br />

meine, der war nicht unschwer zu erschnüffeln oder eben bloß<br />

nebenbei mitzunehmen, wie man vielleicht als Kind an irgendeinem<br />

Tag den Geruch des toten Geschwisterchens wiedererkannt hatte<br />

bereits an der ersten Straßenkreuzung auf dem Weg zur Schule! Man<br />

brauchte indes schon einen präzisen Olfaktorius, um die Witterung<br />

aufnehmen zu können von ebendiesem Tod, der so scham- und<br />

charakterlos aber gewiß nicht planlos durch die Stadt spaziert<br />

war. Ich selbst hatte diesen Tod gerochen; es war ein<br />

unappetitlicher schartiger wenngleich unauffälliger Duft,<br />

vergleichbar dem Ruch, der sich über die Schützengräben verteilt<br />

zum Ende der Schlacht um 4 Uhr 10 vielleicht. - - An diesen<br />

Gestank hatte ich mich zu erinnern versucht, als das Türschloß<br />

knackte. Es war das Zimmermädchen, das einen Servierwagen<br />

hereinschob, auf welchem ein Dutzend bunte Flaschen und Tuben<br />

nebst mehreren Aufnehmern und dreien Handfegern geordnet waren,<br />

und mich grüßte in einer ebensolchen Unbefangenheit, als würde sie<br />

in ein leeres Zimmer gekommen sein und einiges flüstern dabei. - -<br />

Kennen Sie diese Stadt, hub ich schließlich an, sintemal ich nicht<br />

habe schweigen wollen, ich meine, kennen Sie ihren Geruch!? Also<br />

kennen Sie diesen Geruch, fuhr ich wütend fort nachdem das<br />

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