10.01.2013 Aufrufe

PCSHK_R.pdf

PCSHK_R.pdf

PCSHK_R.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11<br />

ihn ereilt in der Gestalt von Adlerfängen zum Beispiel oder durch<br />

das Eisen einer Falle. Ich wünschte, ich wäre solcherart unbesorgt<br />

oder rücksichtslos, auf jeden Fall aber teilnahmslos!<br />

Jener Art von Bedeutungslosigkeit, die der Tod mir aufzwingt, kann<br />

ich nicht mehr anders begegnen als mit Resignation.<br />

Das Für und Wider des Sein ist abhängig von den Umständen, unter<br />

welchen man existiert. In einem unglücklichen Leben lassen sich<br />

leichter Gründe gegen das Leben finden als in einem glücklichen.<br />

Materielles Unglück ist demnach ungleich schwerer zu ertragen als<br />

bloßes seelisches Leid. Denn in einer Hütte, durch deren Dach es<br />

regnet und deren Tür nicht mehr schließt, werde ich nicht an meine<br />

Seele, die mich schmerzt, denken, sondern daran, Dach und Tür zu<br />

reparieren. Aber weil ich arm bin, werde ich nichts dagegen tun<br />

können, ich werde keinen Handwerker engagieren noch irgendwie<br />

behelfsmäßig selbst die Lücken im Dach und die Ritzen in der Tür<br />

flicken können. Daß meine Seele ob dieser Umstände nicht heilen<br />

wird, ist gleichfalls unbestritten. Vielmehr ist es dann nur noch<br />

eine Frage der Zeit, woran ich sterbe – ob an einer Pneumonie,<br />

weil meine Hütte baufällig ist, oder an zerbrochenem Herzen, weil<br />

mir nicht geholfen wird und weil ich mir auch selber nicht helfen<br />

kann. Aber im Gegensatz zur Seele, die nicht so schnell kaputt zu<br />

bekommen ist, wird ein Stück Bauholz, das morsch ist, oder eine<br />

Mauer, die brüchig ist, um etliche Jahre früher zerfallen als eine<br />

Seele.<br />

Wenn im August oder im Juli, und oftmals sogar schon im Juni oder<br />

noch in den ersten Tagen des September, auf den Straßen und<br />

Gassen, welche sich durch die Häuserzeilen schneiden wie Adern,<br />

die ihren Weg um totes Fleisch und Knochen schürfen, die Schatten<br />

von ebendiesen Häusern liegen, gleichsam wie Schnee, der an einem<br />

Oktobermittag zum ersten Mal auf die Landschaft fällt und dort<br />

bereits im Moment eines Lidschlags die letzte Erinnerung an den<br />

Duft des Herbstes aus dem Erdboden gesaugt hat, dieweil man in den<br />

Supermarkt oder zum Bäcker muß oder sonst irgendeine Verpflichtung<br />

wahrzunehmen hat, beginnen die Schatten wie isländische Prinzen zu<br />

tanzen. Doch diese Prinzen werden den königlichen Hof, der sie<br />

erzieht und ihnen Nahrung gibt, niemals verlassen, um vielleicht<br />

das eigene elterliche jahrhundertealte Reich zu übernehmen und<br />

auszubauen oder überhaupt neue Welten zu erobern. Sie werden<br />

Prinzen bleiben, niemals aber wird sie einer zum Herrscher krönen,<br />

weil die Sonne, der seit jeher gehuldigt wird, obgleich sie es<br />

nicht verdient, das nicht zulassen wird. Diese Sonne nämlich, die<br />

wir so sehr verehren, und die doch in Wirklichkeit nichts anderes<br />

ist als eine Hure, die in der Art mittelalterlicher Folterknechte<br />

mit ihrem Brenneisen jedem das Mal ihrer Bedingungslosigkeit auf<br />

117

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!