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© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11<br />

Todesvariationen:<br />

Hitler war tot. Aber sein Sohn, der zwölfjährige Siegmund, war von<br />

alliierten russischen Soldaten aufgespürt worden in einem<br />

Kellerabteil der Göringschen Villa. Der Knabe wurde verhaftet und<br />

Marschall Schukow vorgeführt. Wir schicken Dich in den Gulag,<br />

Fritzenjunge, oder wir liefern Dich an die Amerikaner aus, sagte<br />

der und bedeutete dem Jungen, sich zu entscheiden. Aber Du willst<br />

ganz gewiß zu den amerikanischen Soldaten..., fuhr der Marschall<br />

unbeirrbar fort, und der Junge, der ein schüchternes Kind war,<br />

nickte vorsichtig mit dem Kopf. - - Drei Wochen später, im Juni<br />

1945, wurde ebendieser Knabe einem Trupp amerikanischer<br />

Panzergrenadiere übergeben. Es war ein formloser inoffizieller<br />

Akt. Der Kommandant der amerikanischen Panzerstaffel, Sergeant<br />

Pattons, salutierte vor seinem russischen Visavis, versuchte sich<br />

in belangloser militärischer Konversation, grüßte ein zweites Mal<br />

und schleifte den Jungen zu seinem Jeep. - - Dieser Sergeant<br />

Pattons war mein vorgesetzter Offizier. Er war neununddreißig<br />

Jahre alt und Soldat geworden, weil man auf dem Schlachtfeld keine<br />

Servietten braucht und kein Scheißpapier! Aber so genau wußte ich<br />

das damals auch nicht. Ich wußte nur das, daß nämlich der Junge,<br />

den der Sergeant an jenem Sonntagnachmittag um 16 Uhr 10 in meine<br />

Stube führte, ein höfliches senibles Kerlchen war! - - Motts, hat<br />

der Sergeant gesagt, nachdem er den Knaben auf meine Pritsche<br />

geworfen hatte wie einen Tornister, Motts, das da ist der Bastard<br />

eines verdammten Hurensohns, Sie verstehen. Ich lächelte<br />

indigniert, zumal es ein liebes, zuvorkommendes Bübchen war, von<br />

welchem der Sergeant solcherart despektierlich sprach. Motts, Sie<br />

verfluchtes Schwein, flüsterte der Sergeant, ich will, daß Sie<br />

diesen deutschen Scheißkerl fordern, verstehen Sie, ich will, daß<br />

Sie ihn f-o-r-d-e-r-n... Natürlich wußte ich schon im Augenblick,<br />

was der Sergeant eigentlich wollte von mir selbst. Ist das ein<br />

Befehl, frug ich ihn deshalb durchaus selbstgefällig, dieweil ich<br />

das Gesicht des Jungen betrachtete geradeso, wie das vielleicht<br />

nur Zuträger, Henkersknechte oder die Briganten der Nachhut tun.<br />

Sie haben drei Tage! hörte ich den Sergeant antworten, als er aus<br />

dem Zimmer ging. Länger hat sowieso noch keiner durchhalten...,<br />

habe ich ihm nachgerufen und vorsichtig nach meinem Seitenmesser<br />

gegriffen. - - Im Krieg, habe ich irgendwann gedacht, ist es das<br />

Schweigen, durch das wir unsere Phantasien verwirklichen; ich<br />

meine, wir kaufen die Realität unserer Phantasien, indem wir über<br />

die der Kameraden schweigen. Auch der Sergeant hatte seine<br />

Phantasien, und ich selbst werde schweigen darüber, weil das der<br />

Preis ist, den ich zahle.<br />

Da existiert eine Art von Liebe, hub sie an, die vielleicht nichts<br />

anderes erlaubt als Schmerz... Verstehst Du, erklärte sie, gerade<br />

in diesem Moment beweist es sich: nämlich ich sehe Deine Glans,<br />

über welche diese köstliche Flüssigkeit sich breitet und die dabei<br />

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