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© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11<br />
mich davor ekelte, nach einer Hand zu greifen, die vielleicht noch<br />
vor elf Tagen in den Abdomina irgendwelcher Menschen gewühlt<br />
hatte. - - Ich hatte also nach der Hand des Direktors gegriffen,<br />
und das war festes zähes brutales Fleisch, das gewiß um ebensolche<br />
Knochen gewachsen war. Die Hand war wenig warm gewesen, vielleicht<br />
sogar zu wenig, und es schien, als hätte der Direktor als er zwölf<br />
Jahre zählte oder dreizehn auch niemals mit ebendieser Hand sein<br />
Geschlecht berührt in der Ahnung, daß das die Hand eines Majors<br />
würde. Aber vielleicht war er auch bloß Linkshänder, ich weiß das<br />
nicht zu sagen! - - Dann war mir Mozart erschienen in der Art<br />
einer Epiphanie! Ich war eben vor dem Fenster gestanden, weil ich<br />
den süffisanten Geruch der Sonne atmen wollte mit einer Inbrunst,<br />
die vielleicht allen jenen zu eigen ist, welche die Demut<br />
verabscheuen, als ich die Gegenwart des zwölfjährigen Mozarts<br />
rekognoszierte wenig neben mir. Der summte eine Melodie, die er<br />
gewiß nicht geschrieben hatte und die ich selbst wiederum nicht zu<br />
kategorisieren klug war in jenem Moment, als er erschienen. Ob<br />
also er selbst jemals gehandelt hätte gegen die Generäle und<br />
Majore, nämlich gegen den Krieg, gegen den Siebenjährigen Krieg<br />
zum Beispiel, frug ich ihn, zumindest irgendwie. Ich habe<br />
komponiert, hat er geantwortet. Und ich hatte gedichtet! habe ich<br />
ihm wütend entgegnet. Aber heute weiß ich, fuhr ich schließlich<br />
fort, daß wir über den Krieg nur auf die gleiche sinnlose ridiküle<br />
Weise dichten können wie über die Sonne. - - Nur Hamlet, hub ich<br />
an nachdem Mozart nicht einmal mehr summte, nur dieser Hamlet hat<br />
den Mut besessen, die Wahrheit wissen zu wollen! Die Wahrheit,<br />
lächelte Mozart, dieweil ich mich an Popper erinnert fühlte, ist<br />
die einzige Befangenheit, der sich das Menschengeschlecht<br />
tatsächlich unter-- Nein, habe ich gerufen, nein, die Wahrheit ist<br />
nicht die Lüge, weil sonst die Lüge das Menschliche ist! Aber das<br />
Menschliche, fuhr ich sogleich flüsternd fort, ist-- Ja, hörte ich<br />
ihn mich auffordern in einem süffisanten Timbre, über welches man<br />
vielleicht nichts anderes behaupten wird können, als daß es die<br />
Stimme eines Zwölfjährigen sei, ja!? Oh, habe ich geflüstert,<br />
jetzt weiß ich plötzlich nicht mehr, was ich habe sagen wollen...<br />
Die Wahrheit, hörte ich ihn aber stöhnen geradeso, als würde er<br />
sie nun erklären müssen, die Wahrheit sind wir nicht einmal zu<br />
fühlen in der Lage! Nicht einmal zu fühlen, wiederholte er sich,<br />
nicht einmal zu fühlen sind wir jene Wahrheit imstande! O, habe<br />
ich gelacht, o, dafür weiß ich selbst jetzt sehr gut, warum ich<br />
die Musik nicht habe leiden mögen...weil sich ja auch die Musik<br />
mit der Wahrheit nicht anders auseinanderzusetzen vermag als in<br />
der Art eines Schauspiels... Und wir sollten lachen über<br />
ebendieses Schauspiel, reagierte der zwölfjährige Mozart,<br />
zumindest lachen! - - In jenem Moment, habe ich schließlich<br />
begonnen, da ich sterbe - und ich sterbe zu jedem Moment -, will<br />
ich nicht dem Lachen gehören... Wem ich also gehören wolle, frug<br />
mich Mozart. Mir selbst will ich gehören, habe ich gerufen, einmal<br />
wenigstens nur mir selbst gehören! - - Mozart war gegangen, und er<br />
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