PCSHK_R.pdf
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© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11<br />
nicht irgendeiner, weil das nämlich noch kein einziges Mal<br />
irgendein Tod gewesen war. O, es wird ganz gewiß einer sein, der<br />
nicht anzuklopfen braucht und mir nicht zu dienen! Der wird nicht<br />
einmal eintreten, ja mich noch nicht einmal suchen; statt dessen<br />
werde ich selbst ihn aufgespürt haben. Nämlich ich werde auf der<br />
Suche gewesen sein, in der ganzen Stadt, an jedem Tag; und<br />
irgendwann werde ich erschöpft sein und mich selbst nicht mehr<br />
dulden mögen... Also werde ich stürzen! Ich werde stürzen,<br />
vielleicht werde ich sogar fallen. Stürzen jedenfalls werde ich<br />
oder fallen, und vielleicht wird es auch bloß ein Brennen sein<br />
oder ein Spritzen von Blut. Aber stürzen werde ich oder fallen!<br />
Und dort, wo ich aufschlagen werde, wird ebendieser Tod, der nicht<br />
irgendeiner ist, mich morden!!! - - Vielleicht hatte ich<br />
geschlafen, ich weiß es nicht zu sagen. Dann hörte ich jemand<br />
unter meinem Bett kriechen! Das waren Geräusche geradeso, als<br />
würde dort ein Mineur nach irgendwelchen Ungeheuern jagen. Wer ist<br />
das unter meinem Bette, habe ich geflüstert, was ist das? - - Und<br />
dann wußte ich mit einem Male, wer es ist, nämlich der<br />
Gepäcksjunge! Nun weiß ich nicht, hub ich endlich an, ob es die<br />
Ratten sind, weshalb ich nicht schlafe... Die Ratten, fuhr ich<br />
fort, die Du fängst, sind gewiß Soldaten, ich meine, die sind<br />
wirklich gut gerüstet, eben wie Soldaten es sind: sie haben spitze<br />
Zähne, sie formieren sich-- Und ernähren sich von den Toten! hörte<br />
ich ihn flüstern. O, ja, entgegnete ich, bereits auf den toten,<br />
warmen Körpern, die ihre Farbe noch wechseln werden, habe ich die<br />
Ratten tanzen sehen-- Weil die fressen zuerst die Bulben, hörte<br />
ich ihn stöhnen, immer zuerst die Augen... Und wenn es genügend<br />
Tote sind, ergänzte ich, die auf den Schlachtfeldern liegen,<br />
werden die Ratten nichts anderes fressen als die Augen der<br />
Toten... - - Aber die Toten kümmert das nicht, habe ich<br />
schließlich begonnen; die haben ja keinen Spiegel, das zu sehen,<br />
und-- Ich bin dieser Spiegel, hörte ich ihn leise sagen, in der<br />
Nacht, wenn ich über die Schlachtfelder laufe und sich die<br />
Augenhöhlen, die ich gesehen und die ich nicht habe zählen können,<br />
widerspiegeln auf meinen Händen oder auf dem Mauerwerk... Dann<br />
wird mir übel, fuhr er fort, und ich erbreche mich... Und dann<br />
kommen die Ratten hervorgekrochen, flüsterte ich selbst, und<br />
stoßen ihre schwarzen unruhigen feuchten Nasenspitzen in diesen<br />
stinkenden Brei... - - Warum tun wir nichts gegen den Tod? hörte<br />
ich ihn dann fragen. Vielleicht weil wir müde sind, habe ich<br />
gesagt, weil wir so müde sind... Nein, hat er wütend gerufen,<br />
nein!!! Wir tun nichts dagegen nur deshalb, fuhr er fort, weil wir<br />
alles für diesen Tod tun! Ja, habe ich gesagt, gewiß ja, wir<br />
dienen diesem Tod, indem wir auf den Schlachtfeldern unsere<br />
Erinnerungen verbrämen und sie anderenteils auf den Friedhöfen<br />
nicht mehr exhumieren... Aber was können wir dagegen tun, hat er<br />
geflüstert geradeso, als würde ein Dichter, der mit einem<br />
Gepäcksjungen spricht, welcher unter jenem Bette nach Ratten<br />
sucht, um denen die Köpfe abzubeißen, eine Antwort wissen. Wir<br />
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