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© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11<br />

Das Inferno ist hier. Man muß nur seine Augen öffnen. Man braucht<br />

dabei nur sich selbst beobachten. – Tu das! Sieh dich an!<br />

Es war also nicht möglich, eine exakte Zeit zu bestimmen, und<br />

vielleicht hätte ich selbst nicht einmal den Gedanken gehabt, nach<br />

der Zeit zu fragen oder eine Zeit abzulesen, wäre ebendiese Zeit<br />

nicht mit einemmal verlautet worden: In sechsunddreißig Sekunden,<br />

hörte ich jemand rufen, ist es 16 Uhr 10. Aber vielleicht habe ich<br />

das auch nur gesehen, daß es nämlich 16 Uhr 10 wird, vielleicht<br />

hatte ich das rekognosziert, ich weiß es nicht zu sagen. - -<br />

Jedenfalls war es 16 Uhr 10 geworden, und ich mußte mich sputen,<br />

wie ich ja überhaupt, seitdem ich die Zeit nicht mehr nennen<br />

konnte oder irgendwo abzulesen vermochte, ausgesprochen rastlos<br />

(und vielleicht auf der steten Suche nach der exakten Zeit)<br />

gewesen war! Ich durfte nicht zu spät beginnen - das wußte ich;<br />

obschon ich anderenteils keine Kenntnis darüber hatte, womit ich<br />

eigentlich beginnen würde müssen. Aber beginnen würde ich<br />

müssen! ...<br />

Es wird mir gelingen, habe ich gedacht und an das Verlieren<br />

geglaubt. Jetzt war ich selbst über mich erstaunt; daß ich nämlich<br />

den Tod negiert hatte und dennoch ebendiesem Tod versprochen war<br />

seit ehedem! - - Stimmen hatte ich gehört, vielleicht sardonische<br />

Stimmen, die vom Morgen sprachen in jenem Timbre, das ich schon<br />

genannt, vom Morgen! Aber o, jetzt mußte ich mich eilen, diesen<br />

einen Morgen nicht zu verpassen, von welchem die Stimmen<br />

gesprochen hatten zuvor noch, als ich den Tod mit der Hoffnung<br />

verwechselte! - - Um 4 Uhr 10 war ich denn aufgewacht und hatte<br />

keinen solchen Morgen agnoszieren können, von welchem jene Stimmen<br />

gesprochen. Ich frühstückte, mit schwarzem Tee und mit drei Tage<br />

altem Gebäck, und drückte endlich wie ein neugieriger Junge die<br />

Tablette aus ihrer knisternden glänzenden Umhüllung und ging in<br />

das Badezimmer, wo ich sie, dieweil ich das Wasser aus dem<br />

Brausekopf über meinen Körper spritzen fühlte geradeso, als wäre<br />

es das Sputum der Literaturkritiker, fast schon begierg schluckte.<br />

Es wird dir gelingen, hörte ich jene Stimmen in meinem Kopf, das<br />

wird dir wohl gelingen. Aber ach, was wußten diese Stimmen von der<br />

Angst! Was wußten die schon, daß man sich vor Dante fürchtete und<br />

statt dessen Orwell las? - - Vielleicht waren diese Stimmen<br />

zeitlos, ich meine, vielleicht akzeptierten sie keine Zeit. Denn<br />

die Zeit, habe ich gedacht, ist es ja, die uns eine Angst erst<br />

fühlen läßt auf diese Weise, daß wir zu verzweifeln oder zu<br />

sterben glauben, obschon wir vielleicht lachen sollten. Aber es<br />

ist die Zeit, welche sich stets so sehr zwischen unsere<br />

Erinnerungen zwängt, daß wir sie einfach schon deshalb beachten,<br />

um nicht unsere Erinnerungen zu verwechseln mit unseren Vorhaben!<br />

- - Nun kann ich gewiß sagen, daß ich die Zeit zu bekämpfen mich<br />

befleißige, sintemal die Angst die Stunden, die Jahre oder die<br />

Jahrzehnte überdauert in einer Unbekümmertheit, die mich<br />

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