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© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11 Anstalt-- So ist es mir gesagt und versichert worden, rief ich dazwischen. So ist es Ihnen gesagt und versichert worden, lachten die Ärzte, so ist es ihm gesagt worden. - - Ja, sagte ich nach einer Pause, die mir selbst schließlich so lang und unangenehm schien, daß ich, nur um diese Pause zu unterbrechen, wieder zu sprechen begann, aber wenn sogar Sie mir nicht glauben... Oh, lieber Freund, wir glauben Ihnen; aber erzählen Sie jetzt, warum Sie nicht weinen wollen, erzählen Sie. Muß man das denn wollen, frug ich, kann man das nicht einfach können. Nun, mein Freund, begann der zweite dieser fünf Ärzte distanciert, und es schien, daß er Schwierigkeiten hatte, seine Gedanken zu formulieren, nun ja, Ihr...Fall ist...so...so ganz besonders, ja, ganz besonders. Nämlich Ihr Krankheitsbild, erklärte der vierte, ist so ganz spezifisch... Spezifisch, fuhr der dritte fort, für die ADT- Paranoia... Für eine Krankheit also, sagte der fünfte, die wir Ärzte überhaupt erst seit sieben Monaten kennen... Und Sie wissen ja, versuchte der erste mir zu erläutern, Sie wissen doch, daß für zuverlässige Aussagen reliable Beobachtungen notwendig sind! Aber ist Gott selber genügend zuverlässig gewesen? frug ich. Das ist hier und jetzt nicht von Interesse, lieber Freund, antworteten sie. Aber, hub ich an, aber-- Nein, nein, lieber Freund, wurde ich unterbrochen vom dritten; Sie leiden ja nicht an der ADS-Paranoia, daß wir jetzt also über Gott mit Ihnen sprechen müßten. Ihre Krankheit, erklärte der fünfte, heißt ADT-Paranoia. Und die ADTP, bemühte sich der erste, hat ihre Ursachen in jener inneren Zerrüttung...Ursachen der Ekphorie übrigens, erklärte der zweite, die wir ganz genau kennen!...in einer Zerrüttung, die Sie selbst uns schon geschildert haben. O ich bin gewiß nicht paranoid, meine Herren, entgegnete ich durchaus höflich. Natürlich sind Sie das, lieber Herr! sagten der erste und der vierte. Weil die Renitenten, antwortete der dritte wütend, dieweil die anderen vier sich ob seines Tonfalls erstaunten, weil die immer auch Paranoiker sind! - - Endlich bat ich um eine Zigarette, nachdem wir vielleicht schon zehn Minuten nichts gesagt hatten. Oh, wie unaufmerksam von uns, entschuldigte man sich bei mir, und der zweite reichte mir ein Päckchen Filterlose. Danke, erklärte ich mich kurz und brannte eine Zigarette an. Was unser Kollege eigentlich sagen will, begann schließlich der fünfte, und er schien ein wenig indigniert, ist ja nichts anders, als... Als daß wir alle hier nur Ihr Bestes wollen, sagte der vierte und schob mir einen Aschenbecher über den Tisch, nur Ihr Bestes... Lieber Freund, setzte der zweite noch hinzu. Oh, begann ich zu lächeln, oh, das haben sie im Zimmer Eins-Null-Eins auch gesagt... Im Zimmer Eins-Null-Eins? wurde ich erstaunt gefragt vom zweiten. Ja, Eins-Null-Eins – Sie kennen doch Orwells 1984!? Während meiner Studienzeit habe ich es gelesen, glaube ich, sagte der erste ganz unbedacht, dieweil die anderen verärgert schienen. – - Mein lieber Freund, begann der fünfte, Sie müssen doch wissen, daß Bücher genausowenig real sind wie Träume und daß-- Es ist mir gleich, ob die real sind! schrie ich. Ich brauche 18
© Heinrich Kantura/Peter Christoph Schwartz, A-1010 Wien, Hafnersteig 5/1/2/11 nicht darüber reden mit Ihnen, was warum und wie lange real ist, ich brauche das nicht, dafür bin ich nicht hier! - - Sie haben natürlich recht, mein lieber Freund, begann der vierte nach einer unangenehmen Stille, während welcher ich zumindest fünf Zigaretten geraucht hatte; es ist vollkommen gleichgültig, ob Bücher real sind oder bloße Illusionen, solange diese Bücher angelegentliche Scharteken sind und...Oder uns etwas zu lehren wissen, unterbrach ich ihn, irgend etwas zumindest!...Ja, vielleicht auch das... - - Ich lese keine Bücher mehr, hub ich an, sintemal ich ihrer nächsten Frage zuvorkommen wollte. Aber Sie haben sie in Ihren Erinnerungen behalten, begann der fünfte, und das ist ein gefährliches Spiel. Ein wir-kli-ch gefährliches Spiel! erklärte der zweite nachdrücklich. Oh, Sie kennen meine Erinnerungen nicht, lachte ich, oh, Sie kennen die nicht, daß Sie so etwas sagen können. Es tut mir leid Sie enttäuschen zu müssen, mein lieber Freund! sagte der erste. Doch wir Wissenschafter kennen die chemischen Reaktionen, sagte der dritte, welche... Welche auch so etwas wie Erinnerungen nachgerade erst auslösen, sagte der zweite. Ja, natürlich, ja, entgegnete ich jovial, ein Kuß ist ein histologisch-chemischer Prozeß! Ob Sie das glauben wollen oder nicht, antwortete der fünfte laut, aber das ist tatsächlich so, und es ist auch bereits bewiesen worden von uns! Warum soll ich dann denn weinen, frug ich und lächelte dabei ob der Verwirrtheit der Ärzte. Also soll ich mit einem chemischen Prozeß, fuhr ich fort zu fragen in jener gespielten konzilianten Art, einen zweiten chemischen Prozeß provozieren, um endlich einen dritten oder vierten zu verhindern!? Sie brauchen nur das tun, was wir Ihnen sagen! schrie der vierte, der jetzt aufgesprungen war von seinem Sitzplatz und dessen rechte Hand mich bedünkte, als würde er mich schlagen wollen. - - - Sie haben noch fünfzehn Minuten, wurde ich hingewiesen vom dritten. Danke, habe ich gesagt, und ich habe nicht geweint. 19
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