Reise nach Zypern - Eberhardt TRAVEL
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Oben auf dem Berg wehen neben der<br />
Wachstation die türkische und die<br />
nordzyprischen Flagge. Ein echt<br />
wirkender Blech- oder Pappsoldat<br />
wirkt beunruhigend und bedrohlich,<br />
<strong>nach</strong>dem ich das alles über die<br />
Besetzung gerade verdaut habe. Ich<br />
bin mit Fotografieren vorsichtig.<br />
Sehr interessant und ablenkend von dieser Problematik fand ich den Besuch des kleinen<br />
Museums, das in drei oder vier Räumen Ausstattungsgegenstände aus bäuerlicher Zeit<br />
präsentierte. Aber auch eine „guten Stube“ mit Stilmöbeln, Lefkara- Stickereien und schönen<br />
Spiegeln war eingerichtet. Den Nebenraum erfüllten ein Webstuhl und manche der für die<br />
Wolleverarbeitung wichtigen Werkzeuge. Auch eine Küche mit einigen Kesseln und Töpfen<br />
regten die Phantasie an, wie die Altvorderen hier lebten.<br />
Der folgende Spaziergang durch das Dorf<br />
begeisterte mich allein schon durch die<br />
Blütenpracht, die in den Gärten über die<br />
Zäune wucherte. Freundlich grüßte ein alter<br />
Mann herüber, der im Schatten vor seinem<br />
Hause saß. Ich freute mich an rotem Oleander<br />
vor dem tropischen Hintergrund einer<br />
Fächerpalme, und immer wieder an den weiß<br />
und purpur- lila leuchtenden Blüten der<br />
Bougainvillea, die zur Familie der<br />
Wunderblumen und Art der Nelkengewächse<br />
gehört. Rund ums Mittelmeer ist sie heute<br />
„Gute Stube“ im Dorfmuseum Pyla<br />
© Rolf Bührend, Herbst/Winter 2006 Seite 12<br />
heimisch, diese Wunderblume und bezaubert<br />
jedes Auge.<br />
Aber auch Limetten, Orangen und Grapefruits zieren die Gärten, Kürbisse und Paradiesäpfel.<br />
Nach dem Dorfrundgang lassen wir uns in dem Kafenío 1 neben dem UN- Stützpunkt nieder,<br />
bekommen eine Tasse zyprischen Kaffee, dick, bitter und gesüßt. Auf der Terrasse spielen vier<br />
Männer Backgammon, das allseits beliebte Brettspiel, bei dem mit zwei Würfeln und Dame-<br />
Steinen gearbeitet wird. Ich habe schon mehrfach zugeguckt, es aber nie verstanden. Mit<br />
Leidenschaft geht es hier zu. Einer ist Wortführer und der Energischste, die drei anderen halten<br />
dagegen. Die Würfel rollern, die Steine scheppern, werden mit absoluter Zielsicherheit<br />
fingerfertig gegen den hohen Rand dirigiert, vor und zurück, herüber und hinüber, wie die<br />
Würfel es vorgeben. Für mich eine undurchdringliche Wissenschaft. Also muss ich mich hinter<br />
den dunklen Vorhang begeben, der es mir verschleiert. Wer besser als das wunderbare Lexikon<br />
des Internets kann mir Antwort geben? Hier ist der gelehrte Überblick:<br />
Das älteste Backgammonbrett der Geschichte wurde in<br />
der „verbrannten Stadt“ gefunden, der archäologischen<br />
Fundstelle in der iranischen Provinz Sistan und<br />
Baluchestan. Dieses Spiel ist über 5000 Jahre alt. Es ist<br />
älter als ein Brett, das Mitte der 1920er Jahre in der Stadt<br />
Ur vom britischen Archäologen Sir Leonard Woolley<br />
entdeckt wurde.<br />
Weitere Spielbretter fand man im Grab von Tutenchamun<br />
im Nil-Delta, die etwa um 1500 vor Christus entstanden<br />
sind. Viele Grabmalereien zeugen von der Beliebtheit des<br />
Brettspieles, das sowohl von den Führern als auch vom<br />
gemeinen Volk gespielt wurde.<br />
1 Kafenío, griech. Kaffeehaus