Reise nach Zypern - Eberhardt TRAVEL
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hohe Felskante herabströmte, sich im Fallen in kleine Tropfen- Kaskaden auflöste und in<br />
einem Tosbecken wieder zusammenfloss, waren keine gewaltigen Massen. Aber der Fakt an<br />
sich, dass <strong>nach</strong> einem Sommer von vielleicht sechs Monaten absoluter Trockenheit, in denen<br />
kein Tropfen Regen auf der Insel fiel, wenn man das relativ bescheidene Areal des Troodos in<br />
Betracht zog, dann war das hier schon erstaunlich und für mich ein kleines Wunder. Es ist der<br />
Kryos Potamus, der Kalte Fluss, der aus größerer Höhe herabkommt, und dessen Wasser im<br />
Sommer unterhalb fast völlig aufgefangen und genutzt wird.<br />
Kameras wurden gezückt, die Bank von müden Frauen<br />
belagert, und Antonio warf seinen schweren Rucksack ab,<br />
den er den Weg heraufgeschleppt hat und teilte saftige<br />
Apfelsinen aus. Die Pause im Schatten der hohen Bäume<br />
und der labenden und kühlenden Feuchtigkeit der Luft<br />
Kalidonia Wasserfall: Carina streckt die<br />
Hand <strong>nach</strong> Bedürftigen aus<br />
nutzte jeder auf seine Weise.<br />
Nun beginnt der schönste Teil der Wanderung. Entlang<br />
des wild schäumend sich über Felsbrocken, rankende<br />
Baumwurzeln hinweg ergießenden und leise murmelnd<br />
strömenden Bachs, folgten wir einem Trittpfad, der von<br />
Zeit zu Zeit die Bachseite wechselte. Unbeschreiblich<br />
ist die Umgebung, urwaldartig, märchenhaft. Ich<br />
versuche vorn und ungestört zu gehen, dem Schwatzen<br />
der Mitreisenden zu entfliehen- das große Glück in der<br />
Natur kann man nur ohne Menschen genießen, diese<br />
großen Zerstörer. Manchmal zwängt sich das Wasser<br />
durch einen kleinen Felsen – Canyon, dann wieder<br />
weicht es einem mächtigen Fels aus, der ihm den Weg<br />
versperrt und fließt elegant um ihn herum.<br />
Die meisten kletterten und stiegen auf den großen Steinen<br />
umher, um ein günstiges Kameramotiv oder einen<br />
bequemen Sitzplatz mit ungestörtem Blick auf den<br />
Wasserfall zu suchen.<br />
Wendepunkt. Ein Teil, die Fußlahmen, sollten den Weg<br />
zurück nehmen wie gekommen. Der andere Teil unter<br />
Antonios Führung folgte dem Kryos Potamus, der das<br />
Wasser des Kataraktes zu Tale trägt.<br />
Fluss ist jetzt<br />
geschmeichelt,<br />
aber im Winter<br />
kann das ganz<br />
anders aussehen.<br />
Talwärts am Kryos Potamus<br />
Es ist so schön hier. Dann ist es plötzlich mit der Ruhe vorbei. Stimmengewirr, laute Rufe,<br />
Singen dringt uns entgegen. Ohne Respekt vor diesem Refugium der Natur, rufen und brüllen<br />
sie sich zu, wie wenn sie in der Disco wären. Ein Haufe israelischer und französischer<br />
Jugendlicher, darunter junge Frauen mit gewagten, für diesen Weg völlig ungeeigneten<br />
Schuhen, kommt uns lärmend entgegen, fragt Antonio <strong>nach</strong> dem Weg. Sie wollen zum<br />
Wasserfall hinauf.<br />
Der hat sie wohl verprellt mit seiner Antwort, denn sie kehrten <strong>nach</strong> einiger Diskussion um,<br />
vermischten sich auf dem engen Pfad mit unseren Leuten, nahmen uns jetzt die Ruhe und den<br />
Frieden dieser Zauberwelt. Wir mussten nun schneller gehen, dass wir ihnen ein Stück enteilen<br />
und vor ihrem lauten Geschrei fliehen konnten. Wilhelm Busch geht mir durch den Sinn:<br />
„…So wird manche schöne Stunde/ in der Liebe Seelenbunde/ durch Herbeikunft eines Dritten/<br />
mittendurch und abgeschnitten…“<br />
© Rolf Bührend, Herbst/Winter 2006 Seite 79